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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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alles über die Isiskulte.«
    Agliè antwortete bescheiden: »Nur das wenige, was ich davon gesehen habe.«
    Amparo versuchte Terrain zurückzugewinnen: »Aber war das nicht vor zweitausend Jahren?«
    »Ich bin nicht so jung wie Sie«, lächelte Agliè.
    »Wie Cagliostro«, scherzte ich. »War’s nicht er, den man einmal, als er an einem Kruzifix vorbeikam, zu seinem Diener murmeln hörte: ›Ich hatte es ihm doch gesagt, diesem Juden, daß er aufpassen sollte, an jenem Abend damals, aber er wollte ja nicht hören?‹«
    Agliè erstarrte, ich fürchtete schon, daß der Scherz zu grob gewesen war, und setzte zu einer Entschuldigung an, aber da unterbrach er mich mit einem konzilianten Lächeln: »Cagliostro war ein Intrigant. Man weiß sehr gut, wann und wo er geboren ist, und er hat nicht einmal besonders lange gelebt. Er prahlte bloß.«
    »Das glaube ich gern.«
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    »Cagliostro war ein Intrigant«, wiederholte Agliè. »Aber das heißt nicht, daß es nicht privilegierte Personen gegeben hat, und gibt, die viele Leben durchgemacht haben. Die moderne Wissenschaft weiß noch so wenig über die Alterungs-prozesse, wer weiß, ob die Sterblichkeit nicht einfach nur ein Ergebnis schlechter Erziehung ist. Cagliostro war ein Intrigant, aber der Graf von Saint-Germain war keiner, und wenn er sagte, er habe einige seiner chemischen Geheimnisse von den alten Ägyptern gelernt, hat er vielleicht nicht bloß ge-prahlt. Doch da ihm ohnehin niemand glaubte, wenn er diese Episoden erwähnte, tat er aus Höflichkeit gegenüber seinen Zuhörern so, als ob er scherzte.«
    »Aber Sie tun, als ob Sie scherzten, um uns fühlen zu lassen, daß Sie die Wahrheit sagen«, sagte Amparo.
    »Sie sind nicht nur schön, Sie sind auch außergewöhnlich scharfsinnig«, sagte Agliè. »Aber ich beschwöre Sie, mir nicht zu glauben. Denn wenn ich Ihnen im staubigen Glanz meiner Jahrhunderte erschiene, würde Ihre Schönheit mit einem Schlage verwelken, und das könnte ich mir nicht verzeihen.«
    Amparo war erobert, und mich durchzuckte ein Anflug von Eifersucht. So brachte ich das Gespräch auf die Kirchen und auf den Sankt Georg-Oxossi, den wir gesehen hatten.
    Agliè sagte, wir müßten unbedingt einen Candomblé erleben. »Aber gehen Sie nicht dahin, wo man Ihnen Geld abver-langt. Die echten Orte sind die, wo man Sie empfängt, ohne irgend etwas von Ihnen zu verlangen, nicht einmal, daß Sie glauben. Respektvoll zuzuhören, das ja, mit der gleichen Toleranz für alle Glaubensformen, mit der man auch Ihren Unglauben akzeptiert. Einige Pais oder Mães-de-santo sehen aus, als wären sie direkt aus Onkel Toms Hütte entsprungen, aber sie haben die Bildung eines Theologen der Grego-riana.«
    Amparo legte ihre Hand auf die seine. »Bringen Sie uns hin! Ich bin vor vielen Jahren einmal in einem Umbanda-Zelt gewesen, aber ich habe nur vage Erinnerungen, ich erinnere mich nur an eine große Verwirrung...«
    Die Berührung schien Agliè verlegen zu machen, aber er zog seine Hand nicht weg. Nur zog er, wie ich es ihn später in nachdenklichen Momenten tun sah, mit der anderen Hand aus der Westentasche eine kleine Dose aus Gold und Silber, 210
    vielleicht eine Tabatiere oder Pillendose, mit einem Achat auf dem Deckel. Auf dem Bartisch brannte eine Kerze, und als Agliè das Döschen wie zufällig in ihre Nähe brachte, sah ich, daß der Achat im Licht nicht mehr zu erkennen war, statt dessen erschien eine winzige Miniatur, in Blaugrün und Gold, die ein Hirtenmädchen mit einem Blumenkorb zeigte.
    Agliè drehte das Döschen mit zerstreuter Andacht zwischen den Fingern wie einen Rosenkranz. Dann bemerkte er mein Interesse, lächelte und steckte es wieder weg.
    »Verwirrung? Ich hoffe nicht, mein schönes Fräulein, daß Sie außer scharfsinnig auch übertrieben empfindsam sind.
    Eine erlesene Qualität, wenn sie sich mit Anmut und Intelligenz verbindet, aber gefährlich für Leute, die sich an gewisse Orte begeben, ohne zu wissen, was sie dort suchen und was sie dort finden werden... Und außerdem, bitte verwechseln Sie nicht den Umbanda mit dem Candomblé. Dieser ist ganz und gar autochthon, afro-brasilianisch, wie man zu sagen pflegt — jener ist eine späte Blüte, entstanden aus einer Kreuzung von eingeborenen Riten mit der esoterischen Kultur aus Europa, geprägt von einer Mystik, die ich templerisch nennen würde...«
    Die Templer hatten mich wieder. Ich sagte Agliè, daß ich über sie gearbeitet hatte. Er sah mich interessiert an. »Kurioser

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