Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
Vom Netzwerk:
Tag warten. Hier gibt es nicht die Erpressung mit der Sicherheit.
    Wer sich in kleinen Bars verliebt, braucht keine Frau für sich allein. Jemand leiht einem seine.
    Seine Rolle. Er ließ ihr viel Freiheit, er war immer auf Reisen. Seine verdächtige Liberalität: ich konnte auch um Mitternacht anrufen, er war da und du nicht, er sagte mir, du seist außer Haus, und wenn ich schon anriefe, ob ich nicht zufällig wüsste, wo du wärst. Einzige Momente der Eifersucht. Aber auch auf diese Weise entriss ich Cecilia dem Saxophonspieler. Lieben oder zu lieben glauben als ewiger Priester einer alten Rache.
    Mit Sandra war's komplizierter geworden: diesmal hatte sie gemerkt, dass es mich böse erwischt hatte, das Leben zu zweit wurde eher angespannt. Mussten wir uns trennen? Also bitte, dann trennen wir uns. Nein, warte, reden wir noch mal drüber. Nein, so kann das nicht weitergehen. Mit einem Wort, das Problem war Sandra.
    Wenn man durch Bars zieht, hat man das Drama der Leidenschaft nicht mit der, die man trifft, sondern mit der, die man verlässt.
    Dann kam das Abendessen mit Doktor Wagner. In seinem Vortrag hatte er gerade erst einem Provokateur eine Definition der Psychoanalyse gegeben: »La psychanalyse? C’est qu’entre l’homme et la femme... chers amis... ça ne colle pas... (Die Psychoanalyse? Das ist, weil zwischen Mann und Frau... liebe Freunde... das hält nicht zusammen...)
    Man diskutierte über die Zweierbeziehung, und über die Scheidung als Illusion des Gesetzes. Von meinen Problemen umgetrieben, beteiligte ich mich engagiert am Gespräch. Wir verloren uns in dialektischen Spielereien, sprachen miteinander, während Wagner schwieg, vergaßen, dass wir ein Orakel unter uns hatten. Und da, mit abwesender Miene
    und da, mit gelangweilter Miene
    und da, mit melancholischem Desinteresse
    und da, als mischte er sich am Thema vorbei ins Gespräch ein, sagte Wagner (ich erinnere mich genau an seine Worte, sie haben sich mir tief ins Gedächtnis eingeprägt, ich kann mich unmöglich verhört haben): In meiner gesamten Tätigkeit habe ich nie einen Patienten gehabt, der von seiner eigenen Scheidung neurotisiert war. Der Grund des Unbehagens war immer die Scheidung des Andern.
    Doktor Wagner sagte auch mündlich immer der Andere, mit großem A. Tatsache ist, dass ich hochfuhr wie von einer Viper gebissen
    der Viscount fuhr hoch wie von einer Viper gebissen
    eiskalter Schweiß perlte auf seiner Stirn
    der Baron fixierte ihn durch die trägen Rauchschwaden seiner dünnen russischen Zigarette
    — Sie meinen, fragte ich, dass man nicht durch die Scheidung vom eigenen Partner in die Krise gerät, sondern durch die mögliche oder unmögliche Scheidung der dritten Person, die das Paar, dem man angehört, in die Krise gebracht hat?
    Wagner starrte mich an mit der Perplexität des Laien, der zum ersten mal einem Geistesgestörten begegnet. Was ich damit sagen wolle.
    Wahr ist, was immer ich damit sagen wollte, ich hatte es schlecht gesagt. Also versuchte ich, meinen Gedankengang zu konkretisieren. Ich nahm den Löffel vom Tisch und legte ihn neben die Gabel: Sehen Sie, das bin ich, der Löffel, verheiratet mit ihr, der Gabel. Und hier ist ein anderes Paar, sie, das Obstmesserchen, verheiratet mit ihm, dem großen Mackie Messer. Nun glaube ich Löffel zu leiden, weil ich meine Gabel werde verlassen müssen und es nicht möchte, ich liebe das Messerchen, aber es ist mir recht, wenn es bei seinem großen Messer bleibt. Und jetzt sagen Sie mir, Doktor Wagner, dass ich in Wahrheit deswegen leide, weil sich Messerchen nicht von Mackie Messer trennt. Ist es so?
    Wagner antwortete, zu einem anderen Tischgenossen gewandt, er habe nie etwas Derartiges gesagt.
    — Wie, Sie haben es nicht gesagt? Gerade eben haben Sie doch gesagt, Sie hätten nie einen gefunden, der von seiner eigenen Scheidung neurotisiert war, sondern immer nur von der des anderen.
    — Kann sein, ich weiß es nicht mehr, antwortete Doktor Wagner gelangweilt.
    — Und wenn Sie's gesagt haben, meinten Sie's dann nicht so, wie ich es verstanden habe?
    Wagner schwieg einige Minuten lang.
    Während die ganze Tischrunde wartete, ohne auch nur zu schlucken, winkte er der Bedienung, ihm Wein nachzuschenken, hielt das Glas hoch und betrachtete aufmerksam die Flüssigkeit gegen das Licht, trank einen Schluck und sprach endlich:
    — Wenn Sie es so verstanden haben, dann weil Sie es so verstehen wollten.
    Sprach's, drehte sich zu einer anderen Seite, sagte, es sei heiß,

Weitere Kostenlose Bücher