Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
Vom Netzwerk:
Ritterschaft, und ich bitte Sie um ein Mindestmaß an Solidarität. Und überdies, meine Herren, wie kann man den Fürsten der Finsternis in persönliche Streitereien hineinziehen! Wenn es wahr wäre, was Sie sagen, wäre es kindisch. Also was soll's, das sind doch Märchen für Okkultisten. Sie benehmen sich wie vulgäre Freimaurer. Boutroux ist ein Wirrkopf, seien wir ehrlich, und allenfalls sollten Sie, Bramanti, ihn auffordern, seinen Trödelkram an einen Opernrequisiteur zu verkaufen, für den Mephistopheles von Boito...«
    »Ah, ah, c’est bien dit ça«, freute sich der Franzose, »c'est de la brocanterie...«
    »Betrachten wir den Fall nüchtern. Was ist denn geschehen? Es hat eine Debatte über liturgische Formalitäten gegeben, die Gemüter haben sich erhitzt, aber wir wollen doch, wie man bei uns sagt, den Schatten nicht Körper geben. Wohlgemerkt, lieber Pierre, ich schließe keineswegs aus, daß in Ihrem Hause fremde Präsenzen umgehen, das ist die normalste Sache der Welt, aber mit einem Minimum an gesundem Menschenverstand ließe das Ganze sich auch durch einen Poltergeist erklären...«
    »Ja, das würde ich nicht ausschließen«, sagte Bramanti, »bei der derzeitigen Astralkonjunktur...«
    »Also bitte! Auf, meine Herren, geben Sie sich die Hand. Und einen Bruderkuss!«
    Wir hörten gemurmelte Entschuldigungen. »Sie wissen doch selbst«, sagte Bramanti, »manchmal muß man, um herauszufinden, wer wirklich auf Initiation bedacht ist, auch der Folklore nachgeben. Sogar jene Händler des Großen Orients, die an nichts glauben, haben ein Ritual.«
    »Bien entendu, le rituel, ah ça...«
    »Aber wir sind nicht mehr in den Zeiten Crowleys, einverstanden?« sagte Agliè. »Jetzt muß ich Sie leider verlassen, ich habe noch andere Gäste.«
    Wir eilten rasch zum Sofa zurück und erwarteten Agliè in gefasster und zwangloser Haltung.

47
    So war es denn unser hohes Bemühen, eine Ordnung in diesen sieben Maßen zu finden, die umfassend, ausreichend und distinkt sei und stets den Sinn wach und das Gedächtnis erregt halte... Diese hohe und unvergleichliche Collocation dient nicht nur dazu, die uns anvertrauten Dinge, Worte und Künste zu bewahren..., sondern gibt uns darüber hinaus auch die wahre Weisheit.
    Giulio Camillo Delminio, L’Idea del Theatro, Florenz, Torrentino, 1550, Einleitung
     
    Kurz darauf erschien Agliè. »Bitte entschuldigen Sie mich, liebe Freunde, ich komme aus einer recht unangenehmen Diskussion. Wie Freund Casaubon weiß, betrachte ich mich als einen Liebhaber der Religionsgeschichte, und das hat zur Folge, daß etliche, und nicht selten, sich um Rat an mich wenden, vielleicht mehr an meinen common sense als an meine Fachkenntnisse. Es ist schon kurios, was für singuläre Personen man bisweilen unter den Adepten der Weisheitsstudien finden kann... Ich meine nicht nur die üblichen Melancholiker auf der Suche nach transzendentalem Trost, sondern auch Leute mit profundem Wissen und großer intellektueller Feinsinnigkeit, die sich jedoch dessen ungeachtet nächtlichen Fantastereien hingeben und dabei den Sinn für die Grenze zwischen überlieferter Wahrheit und dem Archipel des Wunderlichen verlieren. Die beiden Herren, mit denen ich eben sprach, stritten sich über kindische Mutmaßungen. Dergleichen kommt leider, wie man so schön sagt, in den besten Familien vor. Aber nun folgen Sie mir bitte in meine Klause, da können wir in einer angenehmeren Atmosphäre plaudern.«
    Er schob den Ledervorhang beiseite und ließ uns ins Nebenzimmer eintreten. Klause hätten wir es nicht genannt, so geräumig, wie es sich darbot, ringsum möbliert mit exquisiten Regalen voll kostbar gebundener Bücher, sicherlich alle von ehrwürdigem Alter. Was uns besonders frappierte, waren einige Glasvitrinen, die schwer bestimmbare Objekte enthielten, Steine, wie uns schien, und kleine Tiere, bei denen wir nicht zu erkennen vermochten, ob sie ausgestopft oder mumifiziert oder fein nachgebildet waren. Über allem lag ein diffuses Dämmerlicht. Es schien durch ein großes Doppelfenster mit bleigefassten Rautenscheiben von bernsteinartiger Transparenz einzudringen, aber das Licht aus dem Fenster vermischte sich mit dem Schein einer großen Lampe auf einem Schreibtisch aus dunklem Mahagoni, bedeckt mit Papieren. Es war eine von jenen Lampen mit grünem Glasschirm, wie man sie bisweilen noch auf den Lesetischen alter Bibliotheken findet, die ein helles Oval auf die Buchseiten werfen, aber die Umgebung in einem

Weitere Kostenlose Bücher