Das Foucaultsche Pendel
milchigen Zwielicht belassen. Genau dieses Spiel verschiedener Lichter, beide aus unnatürlicher Quelle, ließ nun jedoch die Farben der Deckenbemalung eher aufleuchten als erlöschen.
Es war eine gewölbte Decke, deren Bemalung den Eindruck weckte, als würde sie an den vier Ecken von schlanken, ziegelroten Säulen mit kleinen vergoldeten Kapitellen getragen, doch das trompe-l’œil der Bilder, die sie überzogen, aufgeteilt in sieben Felder, ließ sie gebläht wie ein Segel erscheinen, und der ganze Raum hatte den Charakter einer Totenkapelle mit einer leicht sündhaften, melancholisch sinnlichen Note.
»Mein kleines Theater«, sagte Agliè, »in der Manier jener Fantasien der Renaissance, die bildliche Enzyklopädien ausbreiteten, Gesamtdarstellungen des Universums. Mehr als ein Wohnraum ist dies für mich eine Maschine der Erinnerung. Hier sehen Sie kein Bild, das, wenn es sich in der richtigen Weise mit anderen verbindet, nicht ein Mysterium der Welt enthüllte und resümierte. Betrachten Sie jene Prozession von Figuren, die der Maler derjenigen im Palast zu Mantua nachgebildet hat: Es sind die sechsunddreißig Dekane, die Herren des Himmels. Und daher wollte ich, aus alter Gewohnheit und Treue zur Tradition, als ich diese herrliche Rekonstruktion von wer weiß wessen Hand gefunden hatte, daß auch die kleinen Objekte in den Vitrinen, die mit den Deckenbildern korrespondieren, die Grundelemente des Universums darstellen, Feuer, Wasser, Luft und Erde. So erklärt sich die Präsenz dieses graziösen Salamanders zum Beispiel, ein Meisterwerk der Taxidermie eines teuren Freundes, oder diese delikate, wenngleich ziemlich späte Miniaturnachbildung der Äolipile von Heron, auch Äolusbällchen genannt, worin die Luft in der kleinen Kugel, wenn ich dieses Spiritusöfchen entzünde, das ihr als Schale dient, sich erhitzt und aus diesen seitlichen Tüllen austritt, um die Kugel zum Kreisen zu bringen. Ein magisches Instrument, das schon die altägyptischen Priester in ihren Heiligtümern benutzten, wie viele berühmte Texte bezeugen. Sie benutzten es, um der Menge Wunder vorzutäuschen, und die Menge verehrte das Wunder, aber das wahre Wunder liegt in dem goldenen Gesetz, das die geheime und simple, ätherische und elementare Mechanik regelt: Luft und Feuer. Dies ist die Weisheit, die unsere antiken Ahnen besaßen, auch die Alchimisten noch, und die den modernen Konstrukteuren von Zyklotronen verloren gegangen ist.. So wende ich nun meinen Blick zu diesem Theater der Erinnerung, dem Nachkommen so vieler anderer, größerer, welche die großen Geister der Vergangenheit faszinierten, und weiß. Weiß mehr als die sogenannten Wissenden. Weiß, daß es oben so ist wie unten. Und mehr gibt es nicht zu wissen.«
Er bot uns kubanische Zigarren an, kurios geformte, die nicht gerade waren, sondern krumm und verdreht, obgleich voluminös und schwer. Wir stießen einige bewundernde Rufe aus, und Diotallevi trat an die Bücherregale.
»Oh«, sagte Agliè, »nur eine winzige Bibliothek, wie Sie sehen, nicht mehr als zweihundert Bände, ich habe Besseres in meinen Familiensitz. Doch alle sind, bescheiden gesagt, von einer gewissen Rarität, natürlich nicht zufällig angeordnet, die Ordnung der verbalen Themen folgt jener der Bilder und der Objekte.«
Diotallevi berührte schüchtern ein Buch. »Bitte, bitte, ziehen Sie's ruhig heraus«, sagte Agliè, »das ist der Oedypus Aegyptiacus von Athanasius Kircher. Sie wissen, er war der erste nach Horapollon, der die Hierglyphen zu entziffern versuchte. Ein faszinierender Mann, ich wünschte, diese meine Sammlung gliche seiner Wunderkammer, die heute in alle Winde zerstreut ist — heißt es, denn wer nicht zu suchen versteht, wird nicht finden... Ein höchst liebenswerter Gesprächspartner. Wie stolz er war an dem Tage, als er entdeckt hatte, daß diese Hieroglyphen bedeuten. ›Die Segnungen des göttlichen Osiris müssen durch heilige Zeremonien und durch die Kette der Geister herbeigeführt werden...‹ Dann kam dieser Intrigant Champollion, ein widerwärtiger Mensch, glauben Sie mir, von einer infantilen Eitelkeit, und insistierte auf seiner Behauptung, die Zeichenfolge entspreche bloß einfach dem Namen eines Pharaos. Wie erfinderisch die Modernen sind, wenn es darum geht, die heiligen Symbole herabzusetzen und zu entwerten! Das Werk ist übrigens nicht so rar: es kostet weniger als ein Mercedes. Betrachten Sie lieber dieses hier, die Erstausgabe von 1595 des Amphitheatrum
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