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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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beschrienen Fluch des Tutanchamun erklären würde. Wie haben die Ägypter es angestellt, die schweren Steine der Pyramiden zu heben? Kann man Steine mit Stromstößen heben, bringt man sie durch Kernspaltung zum Fliegen? Die Ägypter hatten das Mittel gefunden, die Schwerkraft aufzuheben, sie besaßen das Geheimnis der Levitation. Eine andere Form von Energie... Man weiß, daß die chaldäischen Priester imstande waren, heilige Maschinen durch bloße Töne in Gang zu setzen, und daß die Priester von Karnak und Theben die Pforten eines Tempels durch den Klang ihrer Stimme aufspringen lassen konnten — und worauf sonst wohl bezieht sich, überlegen Sie einmal, die Sage vom Sesam-öffne- dich?«
    »Und weiter?« fragte Belbo.
    »Da liegt der Hund begraben, mein Freund. Elektrizität, Radioaktivität, Atomenergie — der wahre Initiierte weiß: das alles sind nur Metaphern, oberflächliche Hüllen, konventionelle Lügen, bestenfalls klägliche Surrogate einer viel älteren und vergessenen Kraft, die der Initiierte sucht und die er eines Tages auch finden wird. Wir müssten vielleicht... « — er zögerte einen Moment — »von den tellurischen Strömen sprechen.«
    »Wovon?« fragte, ich weiß nicht mehr, wer von uns Dreien.
    Agliè schien enttäuscht. »Sehen Sie? Schon hoffte ich, daß unter Ihren Kunden jemand aufgetaucht wäre, der mir etwas Interessanteres sagen könnte. Nun, es ist spät geworden. Also gut, meine Freunde, der Pakt ist geschlossen, das Übrige waren Abschweifungen eines alten Gelehrten.«
    Während er uns die Hand reichte, kam der Diener herein und flüsterte ihm etwas ins Ohr. »Oh, die liebe Freundin!« rief Agliè. »Das hatte ich ganz vergessen! Sie soll einen Augenblick warten... , nein, nicht im Salon, im türkischen Zimmer.«
    Aber die liebe Freundin musste mit dem Hause gut vertraut sein, denn sie erschien bereits in der Tür und ging sicheren Schrittes, ohne uns im Dämmerlicht des erlöschenden Tages zu sehen, direkt zu Agliè, streichelte ihm neckisch die Wange und sagte: »Simon, du wirst mich doch nicht im Vorzimmer warten lassen!« Es war Lorenza Pellegrini.
    Agliè wich einen Schritt zurück, küsste ihr die Hand und sagte, auf uns deutend: »Meine liebe, meine zarte Sophia, Sie wissen, daß Sie in jedem Hause, das Sie erleuchten, zu Hause sind. Aber ich war gerade dabei, diese meine Gäste zu verabschieden.«
    Lorenza bemerkte uns und winkte fröhlich — ich kann mich nicht erinnern, sie jemals verlegen oder von irgend etwas überrascht gesehen zu haben. »O wie schön!« rief sie. »Auch ihr kennt also meinen Freund! Hallo Jacopo, wie geht's.« (Sie fragte nicht, wie es ihm ginge, sie sagte es einfach so.)
    Ich sah Belbo erbleichen. Wir begrüßten sie. Agliè zeigte sich erfreut über die gemeinsame Bekanntschaft. »Ich erachte unsere gemeinsame Freundin als eine der natürlichsten, unverfälschtesten Kreaturen, die ich jemals kennenzulernen das Glück hatte. In ihrer Frische verkörpert sie, gestatten Sie mir diese Fantasie eines alten Weisen, die auf diese Erde herab exilierte Sophia. Aber, meine zarte Sophia, ich habe es Ihnen nicht rechtzeitig sagen können, der versprochene Abend ist um ein paar Wochen verschoben worden. Ich bin untröstlich.«
    »Macht nichts«, sagte Lorenza, »dann warte ich eben. Ihr geht in die Bar?« fragte sie oder vielmehr befahl sie uns. »Gut, ich bleib noch ein halbes Stündchen, ich möchte, daß Simon mir eins von seinen Elixieren gibt, das müsstest du mal probieren, Jacopo, aber er sagt, es wär nur für die Auserwählten. Ich komme dann nach.«
    Agliè lächelte mit der Miene eines nachsichtigen Onkels, ließ sie Platz nehmen und geleitete uns zur Tür.
    Wir fanden uns auf der Straße wieder und machten uns auf den Weg zu Pilade, in meinem Wagen. Belbo schwieg. Wir sagten während der ganzen Fahrt kein Wort. Doch an der Theke musste der Zauber gebrochen werden.
    »Ich hoffe, ich habe Sie nicht in die Hände eines Irren geführt«, sagte ich.
    »Nein«, sagte Belbo. »Der Mann ist bei klarem Verstand. Und feinsinnig. Nur lebt er in einer anderen Welt als wir.« Dann fügte er düster hinzu: »Oder beinahe.«

49
    Die Traditio Templi postuliert per se die Tradition einer templerischen Chevalerie, einer spirituellen und initiatischen Ritterschaft...
    Henry Corbin, Temple et contemplation, Paris, Flammarion, 1980, p. 373
     
    »Ich glaube Ihren Agliè verstanden zu haben, Casaubon«, sagte Diotallevi, nachdem er bei Pilade einen Bianco

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