Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
Vom Netzwerk:
lesbar wie ein Buch, oder wie ein Zauberspruch, was im übrigen dasselbe ist. Sie könnten, wenn Sie ihn verstanden, die Worte, die dieser Garten sagt, leise aussprechen und wären damit in der Lage, durch jedes von ihnen eine der zahllosen Kräfte zu lenken, die in der sublunaren Welt tätig sind. Der Garten ist ein Apparat zur Beherrschung des Universums.«
    Agliè zeigte uns eine Grotte. Ein Geschlinge aus Algen und Skeletten von Seetieren, ich weiß nicht, ob natürlichen oder aus Gips oder Stein... Man sah eine Najade auf einem Stier mit geschupptem Schwanz nach Art des großen biblischen Fisches, benetzt von einem Wasserstrahl, der aus einer Muschel kam, die ein Triton wie eine Amphora hielt.
    »Ich möchte, daß Sie in tieferen Sinn dieses Brunnens erfassen, der andernfalls nur ein banales Wasserspiel wäre. De Caus wusste, daß, wenn man ein Gefäß mit Wasser füllt und es oben verschließt, das Wasser auch dann nicht herauskommt, wenn man unten ein Loch bohrt. Doch bohrt man dann oben ein zweites Loch, so fließt oder schießt das Wasser unten heraus.«
    »Ist das nicht selbstverständlich?« fragte ich. »Im zweiten Fall kommt die Luft oben rein und drückt das Wasser nach unten.«
    »Eine typisch szientistische Erklärung, bei der die Ursache mit der Wirkung verwechselt wird oder umgekehrt. Sie müssen sich nicht fragen, warum das Wasser im zweiten Fall austritt. Sie müssen sich fragen, warum es im ersten nicht austreten will.«
    »Und warum will es nicht?« fragte Garamond.
    »Weil, wenn es austräte, im Gefäß ein Vakuum bliebe, und die Natur verabscheut das Vakuum. Nequaquam vacui lautete ein Prinzip der Rosenkreuzer, das die moderne Wissenschaft vergessen hat.«
    »Eindrucksvoll«, sagte Garamond. »Casaubon, in unserer wunderbaren Geschichte der Metalle müssen diese Dinge herauskommen, denken Sie dran. Und sagen Sie mir nicht, das Wasser sei kein Metall. Fantasie ist gefragt«
    »Entschuldigen Sie«, sagte Belbo zu Agliè, »aber Sie argumentieren nach dem Muster post hoc ergo ante hoc. Das, was nachher kommt, verursacht das, was vorher kam.«
    »Man darf nicht in linearen Abfolgen denken. Das Wasser dieses Brunnens tut es nicht. Die Natur tut es nicht, die Natur ignoriert die Zeit. Die Zeit ist eine Erfindung des Okzidents.«
    Während wir aufstiegen, begegneten wir auch anderen Gästen. Angesichts einiger von ihnen gab Belbo Diotallevi leichte Rippenstöße, und Diotallevi kommentierte halblaut:» Ja ja, facies hermetica. «
    Genau unter diesen Pilgern mit facies hermetica, ein wenig abseits, auf den Lippen ein bitternachsichtiges Lächeln, erblickte ich den Signor Salon. Er lächelte mir zu, ich lächelte ihm zu.
    »Sie kennen Salon?« fragte mich Agliè.
    »Sie kennen Salon?« fragte ich ihn. »Für mich ist es normal, wir wohnen im selben Haus. Was halten Sie von ihm?«
    »Ich kenne ihn kaum. Einige vertrauenswürdige Freunde sagen, er sei ein Polizeispitzel.«
    Sieh an, also deshalb wusste Salon von Garamond und von Ardenti. In welcher Beziehung mochte er zu De Angelis stehen? Ich begnügte mich jedoch mit der Frage: »Und was macht ein Polizeispitzel auf einem Fest wie diesem?«
    »Polizeispitzel gehen überallhin«, sagte Agliè. »Jede Erfahrung ist für sie nützlich, um vertrauliche Nachrichten zu erfinden. Bei der Polizei wird man um so mächtiger, je mehr man weiß oder zu wissen vorgibt. Und dabei ist es ganz unerheblich, ob die Nachrichten stimmen. Wichtig ist nur, vergessen Sie das nie, ein Geheimnis zu haben.«
    »Aber warum wird Salon hierher eingeladen?«
    »Mein Freund«, antwortete mir Agliè, »vermutlich weil unser Gastgeber jene goldene Regel des esoterischen Denkens befolgt, nach der jeder Irrtum der verkannte Träger der Wahrheit sein kann. Die wahre Esoterik hat keine Angst vor Gegensätzen.«
    »Sie meinen, am Ende sind sich die alle hier untereinander einig?«
    » Quod ubique, quod ab omnibus et quod semper. (Was überall, was von allen und was immer [geglaubt worden ist, kann als höchst glaubwürdig angesehen werden]). Die Initiation ist die Entdeckung einer Philosophia perennis.«
    So philosophierend gelangten wir schließlich zur obersten Terrasse, wo wir einen Pfad betraten, der uns durch einen weiten Garten zum Eingang des Schlösschens führte. Im Licht einer besonders großen Fackel, die auf einer Säule befestigt war, sahen wir eine junge Frau in einem blauen, mit Sternen besäten Kleid, die eine lange Trompete in der Hand hielt, so eine von der Art, wie sie

Weitere Kostenlose Bücher