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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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wieder auf. Der Bärtige redete weiter mit den anderen im Abteil über die Schwierigkeit, die Krawatten richtig auf die Jacketts abzustimmen, und Belbo las. Ich weiß schon, dachte er, jetzt betrachten mich alle als einen Rüpel, aber wenn ich mit der Bahn fahre, will ich keine Bekanntschaften machen. Ich hab schon genug davon zu Hause.
    Da sagte der Herr mit Bart zu ihm: »Wie viele Zeitungen Sie lesen, und von allen politischen Richtungen! Sie müssen ein Richter sein oder ein Politiker.« Belbo sagte nein, er arbeite in einem Verlag, der Bücher über arabische Metaphysik publiziere. Er sagte das, um den Gegner einzuschüchtern. Der Gegner war sichtlich eingeschüchtert.
    Dann kam der Schaffner. Er fragte Belbo, wieso er eine Fahrkarte nach Bologna habe, aber eine Platzkarte bis Rom. Belbo antwortete, er hätte sich's im letzten Moment anders überlegt. »Wie schön«, meinte der bärtige Herr, »wenn man seine Entscheidungen so nach Lust und Laune treffen kann, ohne in die Brieftasche sehen zu müssen. Ich beneide Sie.« Belbo hatte gelächelt und sich zur anderen Seite gedreht. Klar, sagte er sich, jetzt denken alle, ich wäre ein Verschwender oder hätte eine Bank ausgeraubt.
    In Bologna war Belbo aufgestanden und wollte gerade aussteigen, da sagte sein Nachbar: »He, Sie haben Ihren Koffer vergessen.«
    »Nein, den kommt ein Herr in Florenz abholen«, hatte Belbo gesagt. »Vielleicht können Sie so gut sein und ihn ein bisschen im Auge behalten.«
    »Ich pass' schon auf«, hatte der Herr mit Bart gesagt. »Verlassen Sie sich auf mich.«
    Gegen Abend war Belbo nach Mailand zurückgekommen, hatte sich zu Hause mit zwei Dosen Corned beef und ein paar Crackers hingesetzt und das Fernsehen angeschaltet. Noch einmal Berlinguer, natürlich. So war die Meldung fast nebenbei am Ende gekommen.
    Am späten Vormittag, im TEE auf der Strecke Bologna-Florenz, in Wagen 8, hatte ein Passagier mit Bart einen Verdacht über einen Reisenden geäußert, der in Bologna ausgestiegen war, aber einen Koffer im Gepäcknetz zurückgelassen hatte. Er habe zwar gesagt, jemand würde den Koffer in Florenz abholen, aber ob das nicht die Art und Weise sei, wie die Terroristen vorgingen? Und dann, wieso hatte er den Platz bis Rom reserviert, wo er doch schon in Bologna ausgestiegen war?
    Eine drückende Unruhe hatte sich in dem Abteil verbreitet. Schließlich hatte der Passagier mit Bart gesagt, er halte den Druck nicht mehr aus. Lieber einen Irrtum begehen als sterben, und so hatte er den Zugführer alarmiert. Der Zugführer hatte den Zug angehalten und die Bahnpolizei gerufen. Ich weiß nicht genau, wie es dann weiterging, der Zug stand im Gebirge, die Passagiere liefen aufgeregt an den Gleisen entlang, die Experten kamen... Jedenfalls hatten die Experten dann den Koffer geöffnet und hatten darin eine Höllenmaschine gefunden, eine Bombe mit einem Zeitzünder, der auf die Ankunftszeit in Florenz eingestellt war. Stark genug, um einige Dutzend Personen zu töten.
    Der Polizei war es nicht gelungen, den Herrn mit Bart zu finden. Vielleicht hatte er den Waggon gewechselt und war in Florenz ausgestiegen, weil er nicht in die Zeitungen kommen wollte. Er wurde gebeten, sich zu melden.
    Die anderen Passagiere erinnerten sich mit außergewöhnlicher Klarheit an den Mann, der den Koffer zurückgelassen hatte. Es musste jemand gewesen sein, der auf den ersten Blick Verdacht erregte. Er trug einen dunkelblauen englischen Blazer ohne goldene Knöpfe und eine weinrote Krawatte, er war ein schweigsamer Typ, der um jeden Preis unbemerkt bleiben wollte. Aber ihm war herausgerutscht, dass er für eine Zeitung, einen Verlag oder so etwas arbeite, etwas im Zusammenhang mit (und hier gingen die Zeugenaussagen auseinander) Physik, Metan oder Metempsychose. Auf jeden Fall aber hatte es mit den Arabern zu tun.
    Alle Polizei- und Carabinieristationen im ganzen Land waren alarmiert. Schon kamen die ersten Hinweise aus der Bevölkerung, zur geflissentlichen Prüfung durch die Fahnder. In Bologna waren zwei libysche Bürger verhaftet worden. Der Polizeizeichner hatte ein Fahndungsbild gezeichnet, das nun auf dem Bildschirm erschien. Die Zeichnung ähnelte Belbo nicht, aber Belbo ähnelte der Zeichnung.
    Es gab keine Zweifel mehr, der Mann mit dem Köfferchen war er. Aber das Köfferchen enthielt die Bücher von Aglie. Belbo rief Aglie an, aber niemand nahm ab.
    Es war bereits spät am Abend, er wagte nicht auszugehen. Also nahm er eine Tablette und legte sich

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