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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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angerufen. Im Präsidium hatten sie ihm zuerst Schwierigkeiten gemacht, es schien, als ob der Kommissar nicht mehr dort arbeitete. Schließlich hatten sie seinem Drängen nachgegeben und ihn weiterverbunden.
    »Hallo, wen höre ich denn da, den Doktor Belbo«, hatte De Angelis in einem Ton gesagt, der Belbo sarkastisch vorgekommen war. »Ein Zufall, dass Sie mich hier noch vorfinden. Ich packe gerade die Koffer.«
    »Die Koffer?« Belbo fürchtete eine Anspielung.
    »Ich bin nach Sardinien versetzt worden. Scheint, dass die Arbeit dort ruhiger ist.«
    »Doktor De Angelis, ich muß Sie dringend sprechen. Wegen dieser Geschichte... «
    »Geschichte? Welcher?«
    »Der mit dem Oberst damals. Und dieser anderen... Sie haben einmal Casaubon gefragt, ob er von einer Gruppe Tres gehört hätte. Ich habe davon gehört. Ich habe Ihnen etwas Wichtiges zu sagen.«
    »Sagen Sie's nicht mir. Das ist nicht mehr meine Sache. Außerdem, meinen Sie nicht, es ist ein bisschen spät?«
    »Zugegeben, ich habe Ihnen etwas verschwiegen, damals. Aber jetzt will ich reden.«
    »Nein, Doktor Belbo, sagen Sie nichts. Zunächst einmal seien Sie sich darüber im klaren, dass sicher jemand dieses Gespräch abhört, und ich will, dass er weiß, dass ich von diesen Dingen nichts hören will und nichts weiß. Ich habe zwei Kinder. Kleine. Und jemand hat mir zu verstehen gegeben, dass ihnen etwas passieren könnte. Und um mir zu zeigen, dass es kein Scherz war, ist gestern, als meine Frau den Wagen anließ, die Motorhaube in die Luft geflogen. Bloß ein ganz kleines Bömbchen, kaum mehr als ein Knallfrosch, aber genug, um mir klarzumachen, dass sie mehr können, wenn sie wollen. Ich bin zum Chef gegangen und hab ihm gesagt, Chef, ich habe stets meine Pflicht getan und mehr als das, aber ich bin kein Held. Ich würde auch mein Leben hingeben, aber nicht das meiner Frau und meiner Kinder. Ich habe um Versetzung gebeten. Dann bin ich hingegangen und habe allen gesagt, dass ich ein Feigling bin und mich aus dem Staub machen werde. Und das sage ich jetzt auch Ihnen und denen, die uns zuhören. Ich habe mir die Karriere versaut, ich habe die Achtung vor mir selbst verloren, mir wird bewusst, dass ich gelinde gesagt ein Mann ohne Ehre bin, aber ich rette meine Lieben. Sardinien ist sehr schön, wie ich höre, ich werde nicht mal sparen müssen, um meine Kinder im Sommer ans Meer zu schicken. Arrivederci.«
    »Warten Sie, die Sache ist ernst, ich bin in Schwierigkeiten...«
    »Sie sind in Schwierigkeiten? Na sehen Sie mal an! Als ich Sie damals um Hilfe bat, haben Sie mir nicht geholfen, Sie nicht und nicht Ihr Freund Casaubon. Und jetzt, wo Sie Schwierigkeiten haben, bitten Sie mich um Hilfe. Ich bin auch in Schwierigkeiten. Sie sind zu spät gekommen. Die Polizei dient dem Bürger, wie es in den Filmen heißt, ist es das, woran Sie denken? Gut, dann wenden Sie sich an die Polizei, an meinen Nachfolger.«
    Belbo legte auf. Alles perfekt, sie hatten ihn sogar daran gehindert, sich an den einzigen Polizisten zu wenden, der ihm hätte glauben können.
    Dann dachte er, dass vielleicht Signor Garamond mit all seinen vielen Bekannten, seinen Beziehungen zu Präfekten, zu Polizeipräsidenten, hohen Regierungsbeamten et cetera etwas für ihn tun könnte, und war zu ihm gegangen.
    Garamond hatte sich seine Geschichte liebenswürdig angehört, hatte ihn hin und wieder mit höflichen Ausrufen unterbrochen wie »Nein, was Sie nicht sagen!«, »Also was man so alles zu hören kriegt!«, »Das klingt ja wie ein Roman, ich sage noch mehr, eine Erfindung!« Dann hatte er die Hände gefaltet, hatte Belbo mit unendlicher Sympathie angesehen und gesagt: »Mein Junge, erlauben Sie mir diese Anrede, denn ich könnte Ihr Vater sein — ach Gott, Ihr Vater vielleicht nicht, denn ich bin noch ein junger Mann, ich sage noch mehr, ein jüngerer, aber doch so etwas wie ein älterer Bruder, wenn Sie gestatten. Ich spreche zu Ihnen von Herzen, wir kennen uns seit vielen Jahren. Mein Eindruck ist, dass Sie übermäßig erregt sind, überdreht, am Ende mit Ihren Kräften, entnervt, ich sage noch mehr, erschöpft. Glauben Sie nicht, ich hätte dafür kein Verständnis, ich weiß, dass Sie sich mit Leib und Seele für den Verlag aufopfern, und eines Tages wird man dem auch in sozusagen materieller Hinsicht Rechnung tragen müssen, denn auch das kann nichts schaden. Aber wenn ich Sie wäre, würde ich einmal Urlaub machen. Sie sagen, dass Sie sich in einer peinlichen Situation befinden.

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