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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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nachprüfen können, ob das stimmt. Nicht nur weil in unserer Hemisphäre niemand nachgeschaut hat, wie herum das Wasser weggurgelt, sondern auch weil ich nach diversen Experimenten in Brasilien feststellen musste, dass die Sache sehr schwer zu begreifen ist. Der Strudel vergurgelt zu schnell, als dass man ihm folgen kann, und vermutlich ist seine Richtung abhängig von der Stärke und Neigung des Strahls, aber auch von der Form des Beckens oder der Wanne. Und schließlich, wenn Amparo recht hätte, wie müsste es dann am Äquator sein? Läuft das Wasser dort senkrecht ab, ohne Strudel, oder läuft es am Ende gar nicht ab?
    Damals sah ich das Problem nicht allzu dramatisch, aber vorgestern Abend im Periskop dachte ich, dass letztlich alles von den tellurischen Strömen abhängt und dass ihr Geheimnis im Pendel verborgen ist.
    Amparo war fest in ihrem Glauben. »Was empirisch zu sehen ist, spielt keine Rolle«, sagte sie, »es handelt sich um ein Idealprinzip, das nur unter Idealbedingungen verifiziert werden kann, also nie. Aber es ist wahr.«
    In Mailand war sie mir begehrenswert erschienen wegen ihrer nüchternen, coolen Art. Dort unten, im Kontakt mit den Säuren ihres heimischen Bodens, wurde sie schwerer definierbar, luzide visionär und fähig zu unterirdischer Rationalität. Ich fühlte, wie sich archaische Leidenschaften in ihr regten, die sie wachsam zu zügeln suchte, pathetisch in ihrem Asketentum, das ihr gebot, der Verführung zu widerstehen.
    Am besten ermaß ich ihre herrlichen Widersprüche, wenn ich sie beim Diskutieren mit ihren Genossen sah. Es waren Versammlungen in verwahrlosten Wohnungen, dekoriert mit wenigen Postern und vielen folkloristischen Gegenständen, Porträts von Lenin und Tonfiguren aus dem Sertão, die den Cangaceiro feierten, oder indianische Fetische. Ich war in einem politisch nicht sehr klaren Moment gekommen und hatte nach der Erfahrung zu Hause beschlossen, mich von den Ideologien fernzuhalten, zumal dort unten, wo ich sie nicht kapierte. Die Reden von Amparos Genossen vergrößerten meine Unsicherheit, aber sie weckten auch meine Neugier. Natürlich waren alle Marxisten, und auf den ersten Blick redeten sie fast wie europäische Marxisten, aber sie sprachen von etwas anderem, und plötzlich, während einer Diskussion über den Klassenkampf, konnten sie vom »brasilianischen Kannibalismus« sprechen oder von der revolutionären Rolle der afro-brasilianischen Kulte.
    Es waren genau diese Reden, die mich zu der Überzeugung brachten, dass dort unten auch der ideologische Strudel andersherum läuft. Sie zeichneten mir ein Panorama innerer Pendel-Migrationen, mit den Entrechteten und Verhungernden aus dem Norden, die in den industrialisierten Süden zogen, sich in riesigen Metropolen subproletarisierten, erstickt von Smogwolken, bis sie nach einer Weile verzweifelt in den Norden zurückgingen, um ein Jahr später erneut in den Süden zu fliehen; doch viele strandeten bei diesem Hin und Her in den großen Städten, wurden aufgesogen von einer Plejade autochthoner Kirchen, gaben sich dem Spiritismus hin, der Beschwörung afrikanischer Gottheiten ... Und hier waren Amparos Genossen geteilter Meinung, für einige bewies sich darin eine Rückkehr zu den Wurzeln, ein Widerstand gegen die Welt der Weißen, für andere waren diese Kulte die Droge, mit welcher die herrschende Klasse ein immenses revolutionäres Potenzial niederhielt, wieder andere sahen darin den Schmelztiegel, in dem sich Weiße, Indios und Schwarze zu einer neuen Kraft mit noch vagen Perspektiven und ungewissem Schicksal vermischten. Amparo war entschieden, für sie waren die Religionen immer und überall das Opium der Völker gewesen, um so mehr also waren es diese pseudo-tribalistischen Kulte. Dann fasste ich sie um die Taille in den Escolas de Samba, wenn auch ich an den Tänzerschlangen teilnahm, die sich in langen Serpentinen wanden, begleitet vom unerträglichen Rhythmus der Trommeln, und ich spürte, dass sie an jener Welt mit den Unterleibsmuskeln hing, mit dem Herzen, dem Kopf, den Nasenflügeln ... Und dann wieder gingen wir heim, und sie war die Erste, die mir sarkastisch und böse die tiefe, orgiastische Religiosität jener langsamen, Woche für Woche, Monat für Monat gesteigerten Hingabe an den Karnevalsritus sezierte. Genauso tribalistisch und abergläubisch, sagte sie mit revolutionärem Hass, wie jene Fußballrituale, bei denen die Erniedrigten und Beleidigten ihre kämpferische Energie und ihren Sinn

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