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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Medizinmänner für die Subproletarier aus dem Sertão, die Botschaft aus Provins mit ihren hundertzwanzig Jahren und die hundertzwanzig Jahre der Rosenkreuzer.
    War ich ein wandelnder Shaker geworden, nur noch gut zum Vermixen diverser Spirituosen, oder hatte ich einen Kurzschluss ausgelöst, indem ich über ein Knäuel bunter Drähte gestolpert war, die sich ganz von alleine verhedderten, und das schon seit langer Zeit? Ich kaufte mir das Buch über die Rosenkreuzer. Dann sagte ich mir, wenn ich noch ein paar Stunden länger in diesen Buchläden geblieben wäre, hätte ich von Obersten Ardenti und übersinnlichen Mädchen mindestens ein Dutzend getroffen.
    Ich ging nach Hause und teilte Amparo offiziell mit, dass die Welt voll Denaturierter sei. Sie versprach mir Trost, und wir beendeten den Tag naturaliter.
    Gegen Ende 1975 beschloss ich, mir die Ähnlichkeiten aus dem Kopf zu schlagen und alle Kraft meiner Arbeit zu widmen. Schließlich sollte ich italienische Kultur lehren und nicht die Rosenkreuzer.
    Ich vertiefte mich in die Philosophie des Humanismus und entdeckte, dass die Menschen der nüchternen Neuzeit, kaum aus dem finsteren Mittelalter getreten, nichts Besseres zu tun wussten, als sich in Kabbala und Magie zu vertiefen.
    Nach zwei Jahren Beschäftigung mit Humanisten, die Formeln rezitiert hatten, um die Natur zu bewegen, Dinge zu tun, die sie nicht tun wollte, erhielt ich Nachrichten aus Italien. Meine einstigen Genossen, oder jedenfalls einige von ihnen, erledigten Andersgesinnte mit Genickschüssen, um die Leute zu bewegen, Dinge zu tun, die sie nicht tun wollten.
    Ich begriff nicht. Beschloss, mich nunmehr als Teil der Dritten Welt zu betrachten, und entschied mich, nach Bahia zu fahren. Ich fuhr los mit einer Geschichte der Renaissance-Kultur unterm Arm — und mit dem Buch über die Rosenkreuzer, das unaufgeschnitten im Regal geblieben war.

26
    Alle Traditionen der Erde sind zu betrachten als Traditionen einer grundlegenden Mutter-Tradition, die von Anfang an dem schuldigen Adam und seinen ersten Sprößlingen anvertraut worden war.
    Louis-Claude de Saint Martin, De l’esprit des choses, Paris, Laran, 1800, II, »De l’esprit des traditions en général«
     
    Und ich sah Salvador, Salvador da Bahia de Todos os Santos, das »schwarze Rom« mit seinen dreihundertfünfundsechzig Kirchen, die sich hoch auf der Hügellinie erheben oder sanft in die Bucht schmiegen und in denen die Götter des afrikanischen Pantheons verehrt werden.
    Amparo kannte einen naiven Maler, der große Holztafeln voll biblischer und apokalyptischer Visionen malte, leuchtend wie mittelalterliche Miniaturen, mit koptischen und byzantinischen Elementen. Er war natürlich Marxist, sprach von der baldigen Revolution und verbrachte die Tage träumend in den Sakristeien des Heiligtums von Nosso Senhor do Bomfim, einem Triumph des Horror vacui, vollgestopft mit Votivgaben, die in Trauben von der Decke herabhingen und die Wände pflasterten, eine mystische Assemblage aus silbernen Herzen, hölzernen Prothesen, Beinen und Armen, vermischt mit Bildern von dramatischen Rettungen aus tosenden Seestürmen, Hurrikanen und Mahlströmen. Er führte uns in die Sakristei einer anderen Kirche voll großer nach Jacaranda riechender Möbel. »Wer ist das auf dem Bild da?«, fragte Amparo den Küster. »Sankt Georg?«
    Der Küster sah uns komplizenhaft an: »Wir nennen ihn São Jorge, und es ist besser, ihn so zu nennen, weil sonst der Herr Pfarrer böse wird, aber es ist Oxossi.«
    Der Maler führte uns zwei Tage lang durch Kirchenschiffe und Kreuzgänge, verborgen hinter überreich dekorierten Fassaden von einer Schwärze wie abgegriffene Silberteller. Wir wurden begleitet von runzligen und hinkenden Kirchendienern, die Sakristeien waren krank von Gold und Silbermetallen, von schweren Kassettendecken und kostbaren Rahmen. In kristallenen Schreinen längs der Wände thronten Heiligenstatuen in Naturgröße, triefend von Blut, die offenen Wunden gespickt mit Rubintropfen, und leidverzerrte Christusfiguren mit hämorrhagieroten Beinen. In einem spätbarocken Goldgeflimmer sah ich Engel mit etruskischen Gesichtern, romanische Greife und orientalische Sirenen, die aus Säulenkapitellen hervorlugten.
    Wir gingen durch alte Gassen, verzaubert von Namen, die wie Lieder klangen, Rua da Agonia, Avenida dos Amores, Travessa de Chico Diabo... Es war zu der Zeit, als die Regierung oder wer immer in ihrem Auftrag gerade dabei war, die Altstadt zu sanieren,

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