Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
Vom Netzwerk:
dann sehe er nicht recht, wieso ich von den Worten des Mädchens so überrascht gewesen sei, wenn doch alle Schätze von goldenen Skarabäen geschützt würden. Ich fordere ihn auf, mich gefälligst nicht wie einen Verdächtigen zu behandeln, er wechselt den Ton und lacht. Sagt dann, er finde es nicht weiter seltsam, dass das Mädchen gesagt habe, was es gesagt hatte, denn irgendwie müsse ihr der Ardenti von seinen Fantasien erzählt haben, womöglich um sie als Medium für irgendwelche astralen Kontakte zu benutzen, wie man in jenen Kreisen sage. Dieses Mädchen, erklärt er mir, sei wie ein Schwamm, eine fotografische Platte, die Ärmste müsse ein Unbewusstes haben, das einem Jahrmarkt gleiche, vermutlich unterzögen die Typen von Picatrix sie das ganze Jahr lang einer Gehirnwäsche, es sei nicht unwahrscheinlich, dass ihr in Trance — denn sie falle wirklich in Trance, sie fingiere nicht bloß, und sie sei nicht ganz richtig im Kopf — Bilder gekommen seien, die sie vor langer Zeit gesehen habe.
    Aber zwei Tage später erscheint De Angelis dann bei mir im Büro und sagt, wie sonderbar, einen Tag nach der Zeremonie sei er das Mädchen suchen gegangen, und da sei es nicht da gewesen. Er habe die Nachbarn gefragt, keiner habe sie gesehen, mehr oder weniger schon seit dem Nachmittag vor dem fatalen Ritus. Er habe Verdacht geschöpft, sei in ihre Wohnung eingedrungen und da sei alles drunter und drüber gewesen, Bettlaken auf dem Boden, Kopfkissen in einer Ecke, Zeitungen durcheinander, Schubladen leer. Sie selber verschwunden, samt ihrem Druden oder Liebhaber oder Mitbewohner oder wie das heiße.
    Er sah mich an und sagte, wenn ich noch etwas wüsste, sei es besser, ich würde jetzt reden, denn er finde es seltsam, dass dieses Mädchen auf einmal verschwunden sei, und er könne dafür nur zwei Gründe sehen: Entweder habe jemand bemerkt, dass er, De Angelis, die Kleine ins Auge gefasst hatte, oder sie hätten beobachtet, wie ein gewisser Jacopo Belbo mit ihr zu sprechen versuchte. Und folglich müssten die Sachen, die sie in Trance gesagt hatte, doch etwas Ernsteres betreffen, und nicht einmal sie, wer immer sie sein mochten, hätten anscheinend geahnt, dass die Kleine so viel wusste. »Und nehmen Sie an, einer meiner Kollegen setzt sich in den Kopf, Sie könnten das Mädchen umgebracht haben, Herr Doktor Belbo«, fügte der Kommissar mit schönem Lächeln hinzu, »dann sehen Sie, dass es besser ist, wenn wir zusammenarbeiten.« Ich war drauf und dran, die Geduld zu verlieren, Gott weiß, dass mir das nicht oft passiert, ich fragte, wieso zum Teufel jemand, der nicht zu Hause angetroffen wird, gleich ermordet worden sein müsse, und er fragt zurück, ob ich mich an die Sache mit dem Oberst erinnerte. Ich sagte, auf jeden Fall, wenn das Mädchen umgebracht oder entführt worden sei, müsse das an dem Abend geschehen sein, als ich mit ihm, dem Kommissar, zusammen war, und er fragt mich, wieso ich da so sicher sei, schließlich seien wir gegen Mitternacht auseinandergegangen und was dann passiert sei, wisse er nicht. Ich frage ihn, ob er das im Ernst meine, und er fragt mich, ob ich noch nie einen Krimi gelesen hätte und nicht wüsste, dass die Polizei grundsätzlich jeden verdächtigen müsse, der kein glasklares Alibi habe, und er würde seinen Kopf für eine Transplantation hergeben, sogar auf der Stelle, wenn ich ein Alibi für die Zeit zwischen ein Uhr nachts und dem nächsten Morgen hätte.
    Was soll ich Ihnen sagen, Casaubon, vielleicht hätte ich besser daran getan, ihm die Wahrheit zu erzählen, aber die Leute aus meiner Gegend sind Dickschädel, nichts fällt ihnen schwerer als einzulenken.
    Ich schreibe Ihnen dies alles, weil, so wie ich Ihre Adresse gefunden habe, auch De Angelis sie finden könnte: Für den Fall, dass er sich mit Ihnen in Verbindung setzt, sollen Sie wenigstens wissen, welche Linie ich eingehalten habe. Aber da mir diese Linie nicht gerade sehr gerade erscheint, sagen Sie ruhig alles, wenn Sie's für richtig halten. Ich schäme mich, entschuldigen Sie, ich fühle mich als Komplize von irgendetwas und suche nach einer halbwegs noblen Rechtfertigung und kann partout keine finden. Muss an meiner bäuerlichen Herkunft liegen, bei uns auf dem Land sind wir sture Hunde.
    Die ganze Geschichte ist ziemlich — wie man auf deutsch sagt — unheimlich.
    Ihr Jacopo Belbo

25
    ... ces mystérieux Initiés devenus nombreux, hardis et conspirateurs: Jésuitisme, magnétisme, Martinisme, pierre

Weitere Kostenlose Bücher