Das französische Bett
deutete mein Schweigen falsch.
»Jetzt muss ich annehmen, dass ich zu viel Fantasie besitze und alles in unsere Beziehung hineingeheimnisst habe. - Dir gefällt, was dich befriedigt, hast du vorhin gesagt. Du erwartest von mir nur, dass ich dich umlege.«
Seine Worte trafen mich wie ein Schlag. Sie erweckten einen unbändigen Zorn und eine abgrundtiefe Enttäuschung in mir. Ich sprang so schnell aus dem Wagen, dass ich selbst kaum wusste, wie ich herausgekommen war.
Ich beugte mich durchs Fenster zu ihm hinein: »Du hast Recht«, stieß ich hervor. »Ich bin eine Nutte, und du bist ein sturer Hund!«
Dann raste ich über die Straße auf unser Haus zu.
Bremsen kreischten, und ich schrie auf. Der Fahrer brachte seinen Wagen dicht vor mir zum Stehen. Hinter mir hörte ich Manuel rufen, aber ich schaute mich nicht mehr um.
Auf der Treppe kam mir meine Mutter entgegen, die am gleichen Tag zurückgekommen war. Sie hatte vom Fenster aus alles mit angesehen und fast einen Schock bekommen. Sie umarmte mich und schluchzte.
Ich heulte hemmungslos, aber nicht, weil ich der Gefahr entronnen war, sondern über meine eigene Dummheit.
Sie führte mich in die Wohnung und versuchte mich zu beruhigen.
»Der hätte mich ruhig überfahren sollen«, wimmerte ich.
Sie drückte mich an sich und ließ mich weinen.
»Ich habe alles verdorben. Oh, ich bin ja so gemein!«
Ich heulte von neuem los.
Sie streichelte mein Haar. »Du liebst ihn?«
Ich konnte nicht sprechen, nickte aber.
»Er macht einen sehr guten Eindruck!«
»Er ist der Sohn eines bekannten Arztes«, antwortete ich und gewann meine Fassung langsam wieder.
»Weshalb habt ihr euch denn gestritten, und warum hast du alles verdorben?«
»Ich war ja so gemein - wenn ich daran denke, wie nett er gewesen ist, ich könnte mich einfach...«
»Kennt ihr euch denn schon lange?«
»Er ist einer von den vieren, die mich vergewaltigt haben - damals war ich noch Jungfrau«, das fuhr mir wieder so raus.
Sie regte sich natürlich mächtig auf, das hatte ich aber nicht gewollt.
»Es hat mir nichts ausgemacht«, erklärte ich deshalb. »Im Gegenteil, ich habe alle viere so fertig gemacht, dass sie nicht mehr gekonnt hätten.«
Sie sah mich eine Zeit lang stumm an. Dann gab sie mir plötzlich eine kräftige Backpfeife.
Sie stand auf, ging zum Fenster und sah hinaus. Ich saß versteinert vor Überraschung und hielt meine Backe, die ganz schön brannte.
Jetzt mochte ich nicht einmal mehr heulen. Wenn man einen Fehler macht, dann ist das schon schlimm genug. Wenn man den gleichen Fehler jedoch wiederholt, so ist das absolut idiotisch. Ich war zu weit gegangen, erst bei Manuel, und jetzt bei meiner Mutter. Das verzieh ich mir nicht, und ich hätte mich am liebsten selbst geohrfeigt.
Während ich noch darüber grübelte, hörte ich meine Mutter lachen. Ich blickte zu ihr. Sie hatte sich herumgedreht und sah in mein dummes Gesicht.
»Als ich sechzehn Jahre war«, erzählte sie dann, »habe ich immer davon geträumt - mir immer gewünscht, dass ein Mann käme, der mich vergewaltigen würde. Es ist natürlich nie einer gekommen. - So viel Glück habe ich nicht gehabt. Bei uns zu Hause war alles stickig und engstirnig. - Aber ich habe mir dauernd plastisch vorgestellt, was er mit mir machen könnte. Auf diese Weise konnte ich mich aufregen. Da brauchte ich gar nicht mehr viel zu machen, um dahin zu kommen, wohin ich wollte.«
Als ich meiner Mutter davon erzählte, dass mich Gräfin Anette zum Wohltätigkeitsfest, zur >Fancy faire<, eingeladen hatte, war sie hin- und hergerissen. Sie versuchte zwar, das nicht so zu zeigen, aber ich glaubte, Eifersucht an ihr zu bemerken. Wenn sie gewusst hätte, was ich dort sollte, würde sie wahrscheinlich noch ganz anders reagieren, aber wohlweislich habe ich davon nichts gesagt.
Sie sah mir zu, während ich mich zurechtmachte. Ich war ihr dankbar, weil sie kein Wort darüber verlor, dass ich deswegen einen Tag blaumachte. Ich fühlte fast ein schlechtes Gewissen, zumal ich in letzter Zeit schon eine gewisse Übung darin erworben hatte.
Das Anziehen war das Wenigste. Ein winziger Slip und das rote Abendkleid von der Gräfin. Dazu golden gefärbte Finger- und Zehennägel und Sandaletten. Langwieriger war es, mein Make-up so hinzukriegen, wie ich wollte.
Meine Mutter betrachtete sich mit mir zusammen im Spiegel. Ich fand, dass sie mir im Aussehen immer noch Konkurrenz machen konnte, wenn sie das gewollt hätte.
Unten auf der Straße hupte ein
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