Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das fremde Gesicht

Titel: Das fremde Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
Vom Netzwerk:
teure Geschenke zu seinem Geburtstag und zu Weihnachten. Die Geschenke waren ausnahmslos zu kompliziert oder zu babyhaft. Sie hatte Kyle nur dreimal in den sieben Jahren gesehen, seit sie sich aus dem Staub gemacht hatte.
    Trotz der Tatsache, daß es fast eine Erleichterung bedeutet hatte, hegte Mac noch immer einen Rest von Bitterkeit über Gingers Fahnenflucht. Eine Scheidung war nie Teil der Zukunft gewesen, die er sich ausgemalt hatte, und er fühlte sich noch immer unwohl dabei. Er wußte, daß sein Sohn eine Mutter vermißte, und so gab er sich besondere Mühe und setzte all seinen Stolz daran, ein guter, aufmerksamer Vater zu sein.
    Freitag abends gingen Mac und Kyle häufig ins Drumdoe Inn zum Essen. Sie aßen in der kleinen, legeren Grillstube, wo das spezielle Freitagsmenü individuell zubereitete Pizzas, Fisch und Pommes frites bot.
    Catherine war abends immer im Gasthof. In jungen Jahren war Meg auch ständig dort zu finden gewesen. Als sie zehn und Mac ein Aushilfskellner von neunzehn war, hatte sie ihm ernst erklärt, daß es Spaß mache, zu Hause zu essen.
    »Daddy und ich machen es manchmal, wenn er da ist.«
    Seit ihr Vater verschwunden war, verbrachte Meg praktisch jedes Wochenende zu Hause und aß mit ihrer Mutter in der Gaststätte zu Abend. An diesem Freitag abend jedoch war weder Catherine noch Meg zu sehen.
    Mac gestand sich ein, daß er enttäuscht war; Kyle hingegen, der sich immer ganz besonders auf Meg freute, gab sich ungerührt. »Dann ist sie halt nicht da. Toll.«
    »Toll« war Kyles neues Wort für alles. Er gebrauchte es, wenn er begeistert war, abgestoßen oder scheinbar erhaben. Heute abend war sich Mac nicht ganz sicher, welche Empfindung er da heraushörte. Aber hör mal, sagte er sich, laß dem Jungen doch Freiraum. Wenn ihm tatsächlich irgend etwas zusetzt, dann kommt es schon früher oder später ans Tageslicht, und mit Meghan kann es bestimmt nichts zu tun haben.
    Kyle aß schweigend den Rest seiner Pizza auf. Er war sauer auf Meghan. Sie tat immer so, als sei sie wirklich interessiert an dem Zeug, das er machte, aber am Mittwoch nachmittag, als er draußen war und gerade seinem Hund Jake beigebracht hatte, auf den Hinterbeinen zu stehen und bitte-bitte zu machen, war Meghan an ihm vorbeigefahren, ohne ihn zu beachten. Sie war auch ganz langsam gefahren, und er hatte zu ihr hinübergeschrien, sie solle anhalten. Er wußte, daß sie ihn gesehen hatte, weil sie direkt zu ihm hingeschaut hatte. Dann aber hatte sie Gas gegeben und war weggefahren, ohne sich auch nur die Zeit zu nehmen, Jakes Trick anzuschauen. Toll.
    Er würde seinem Vater nichts davon erzählen. Dad sagte dann bestimmt, daß Meghan nicht gut drauf war, weil Mr. Collins schon lange nicht mehr heimgekommen war und vielleicht zu den Leuten gehörte, die mit dem Auto von der Brücke in den Fluß gefallen waren. Er würde erklären, daß die Leute manchmal, wenn sie an etwas denken, einfach direkt an Leuten vorbeigehen und sie nicht einmal sehen. Aber Meg hatte Kyle am Mittwoch gesehen und hatte es nicht mal für nötig gehalten, ihm zuzuwinken. Toll, dachte er. Wirklich toll.

    7
    Als Meghan zu Hause ankam, fand sie ihre Mutter im dämmrigen Wohnzimmer vor, wo sie dasaß, die Hände im Schoß gefaltet. »Mom, bist du okay?« fragte sie besorgt.
    »Es ist schon fast halb acht. Gehst du nicht zum Drumdoe?« Sie knipste das Licht an und entdeckte Catherines verquollenes, tränenverschmiertes Gesicht. Sie sank in die Knie und packte die Hände ihrer Mutter.
    »Mein Gott, haben sie ihn gefunden? Ist es das?«
    »Nein, Meggie, das ist es nicht.« Immer wieder stockend berichtete Catherine Collins von dem Besuch der Versicherungsleute.
    Dad doch nicht, dachte Meghan. Er könnte, er würde Mutter so etwas nicht antun. Ihr nicht. Da mußte etwas nicht stimmen. »Das ist das Verrückteste, was ich je gehört hab’«, sagte sie energisch.
    »Das hab’ ich ihnen auch gesagt. Aber Meg, warum hat sich Dad dann so viel auf seine Versicherung ausgeliehen?
    Das verfolgt mich. Und selbst wenn er es investiert hat, weiß ich nicht, wo. Ohne einen Totenschein sind mir die Hände gebunden. Ich kann nicht mit den Kosten Schritt halten. Phillip schickt bisher Dads Monatseinkommen von der Firma, aber das ist nicht fair ihm gegenüber. Das meiste Geld, was Dad noch an Provision zustand, ist schon lange eingegangen. Ich weiß, daß ich von Natur aus eher zurückhaltend bin, aber als ich den Gasthof renoviert hab’, war ich’s wahrhaftig

Weitere Kostenlose Bücher