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Das fremde Gesicht

Titel: Das fremde Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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nicht. Ich hab’ wirklich übertrieben.
    Jetzt muß ich Drumdoe vielleicht verkaufen.«
    Der Gasthof. Es war Freitag abend. Ihre Mutter hätte jetzt eigentlich dort sein sollen, ganz in ihrem Element, während sie die Gäste begrüßte, ein Auge auf die Kellner und Gehilfen, auf die Tischgedecke hatte, die Gerichte in der Küche abschmeckte. Ganz automatisch überprüfte sie stets jedes Detail wieder und wieder.
    »Dad hat dir das nicht angetan«, stellte Meg kategorisch fest. »Das weiß ich einfach.«
    Catherine Collins brach in heftiges, trockenes Schluchzen aus. »Vielleicht hat Dad ja das Brückenunglück als Gelegenheit genutzt, um von mir wegzukommen. Aber warum, Meg? Ich hab’ ihn so geliebt.«
    Meghan legte die Arme um ihre Mutter. »Hör mal«, sagte sie resolut, »du hast zu Anfang recht gehabt. Dad würde dir das nie antun, und egal wie, wir werden das auch beweisen.«

    8
    DiePersonalberatungsfirma Collins and Carter Executive Search lag in Danbury, Connecticut. Edwin Collins hatte die Firma mit achtundzwanzig gegründet, nachdem er fünf Jahre lang bei einer der im Wirtschaftsmagazin Fortune aufgeführten Spitzenfirmen mit Hauptsitz in New York gearbeitet hatte. In der Zeit dort war ihm klargeworden, daß die Arbeit innerhalb einer Konzernstruktur nichts für ihn war.
    Nach seiner Eheschließung mit Catherine Kelly hatte er sein Büro nach Danbury verlegt. Sie wollten in Connecticut leben, und die geographische Lage von Edwins Firma war nicht entscheidend, da er einen Großteil seiner Zeit landesweit unterwegs war, um Klienten aufzusuchen.
    Etwa zwölf Jahre vor seinem Verschwinden hatte Collins Phillip Carter in sein Geschäft aufgenommen.
    Carter, Absolvent der Wirtschaftshochschule Wharton mit der zusätzlichen Attraktion einer juristischen Ausbildung, war ursprünglich ein Kunde von Edwin gewesen, der ihn mehrfach erfolgreich in Positionen plaziert hatte, zuletzt, bevor sie sich zusammentaten, bei einem internationalen Unternehmen in Maryland.
    Wenn Collins jene Kundenfirma aufsuchte, pflegten er und Carter sich zum Essen oder auf einen Drink zu treffen.
    Im Lauf der Jahre entwickelte sich eine geschäftlich orientierte Freundschaft. Anfang der achtziger Jahre verließ Phillip Carter schließlich nach einer schwierigen, für eine Midlife-Krise typischen Scheidung seine Stellung in Maryland, um sich Collins als Partner und Teilhaber anzuschließen.

    Sie waren in vielerlei Hinsicht Gegensätze. Collins war groß, gutaussehend im klassischen Sinn, makellos gekleidet und hatte einen unaufdringlichen Humor, während Carter derb und herzhaft war, mit anziehend unregelmäßigen Gesichtszügen und vollem, angegrautem Haar. Seine Kleidung war teuer, wirkte aber nie ganz richtig abgestimmt. Seine Krawatte saß oft lose am Knoten. Er war ein Mann nach Männergeschmack, der eine Trinkrunde mit seinen Geschichten zu Lachsalven hinreißen konnte, ein Mann auch, der gern ein Auge auf die Damen warf.
    Die Partnerschaft hatte funktioniert. Lange Zeit wohnte Phillip Carter in Manhattan und pendelte gegen den Strom nach Danbury, wenn er nicht für die Firma auf Reisen war.
    Sein Name erschien häufig in den Gesellschaftsspalten der New Yorker Zeitungen im Zusammenhang von Galadiners oder Wohltätigkeitsveranstaltungen, die er in Begleitung verschiedener Frauen besucht hatte. Im Lauf der Zeit kaufte er sich dann ein kleines Haus in Brookfield, zehn Minuten vom Büro entfernt, und hielt sich immer häufiger dort auf.
    Jetzt, im Alter von dreiundfünfzig Jahren, war Phillip Carter eine vertraute Gestalt im Umkreis von Danbury.
    Er arbeitete regelmäßig noch mehrere Stunden an seinem Schreibtisch, nachdem alle anderen schon weg waren, weil der frühe Abend eine günstige Zeit war, all die Kundenfirmen und Jobkandidaten zu kontaktieren, die im mittleren Westen und an der Westküste angesiedelt waren.
    Seit dem Abend der Brückenkatastrophe verließ Phillip selten vor acht Uhr das Büro.
    Als Meghan an diesem Abend um fünf vor acht anrief, griff er gerade nach seinem Mantel. »Ich hab’ schon befürchtet, daß es dazu kommen würde«, sagte er, nachdem sie ihm von dem Besuch der Versicherungsleute erzählte.
    »Kannst du morgen gegen Mittag vorbeischauen?«
    Nachdem er aufgelegt hatte, saß er lange Zeit an seinem Schreibtisch. Dann nahm er den Hörer wieder und rief seinen Wirtschaftsprüfer an. »Ich glaube, es ist besser, wenn wir jetzt sofort die Bücher durchgehen«, sagte er ruhig.

    9
    Als Meghan am Samstag um

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