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Das fremde Haus

Das fremde Haus

Titel: Das fremde Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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der ihn hört, würde darauf kommen, wie elend und verloren er sich fühlt. Wenn meine Eltern in der Nähe sind, spielt er die Rolle ihres brillanten, starken, fähigen Schwiegersohns. Es gefällt ihm, wie er mir einmal gestanden hat – dann ist er der Mensch, der er gern sein würde. »Ian Grint will es nicht auf sich beruhen lassen, aber er bekommt Druck von oben. Ziemlich starken Druck, den Eindruck haben wir jedenfalls gewonnen, nach dem, was Sam Kombothekra sagte.«
    »Aber Connie hat doch diese … entsetzliche Sache gesehen! Und eine andere Frau auch. Wie kann die Polizei da einfach so tun, als wäre gar nichts passiert? Es muss doch irgendwas geben, das sie tun können.« Ein Zuhörer, der kein Experte für die Denkweise meiner Mutter ist, könnte jetzt annehmen, dass sie vergessen hat, dass sie mir anfangs nicht glaubte. Das machen schließlich die meisten Leute so: Sie behaupten etwas, und wenn bewiesen wurde, dass sie sich geirrt haben, sagen sie einfach etwas anderes und vergessen, dass sie mal auf der falschen Seite waren. Aber nicht Val Monk. Bei ihr gibt es solche gewöhnlichen ich bestärkenden Selbsttäuschungen nicht. Dienstagabend, als Kit und ich, nachdem wir den Tag mit Grint verbracht hatten, zu erschöpft waren, um mit ihr zu streiten, erklärte sie uns, dass sie sich nichts vorzuwerfen habe: Sie war vollkommen im Recht, als sie mir erst nicht glaubte, da zu diesem Zeitpunkt noch niemand etwas von Jackie Napier wusste, und ohne deren Bestätigung konnte das, was ich gesagt hatte, unmöglich stimmen. Später, als wir allein waren, sagte Kit zu mir: »Also, um die Position deiner Mutter zusammenzufassen: Sie hatte ebenso vollkommen recht, als sie dir nicht glaubte, wie sie jetzt vollkommen recht hat, dir zu glauben. Obwohl es, wenn es jetzt wahr ist, vor einer Woche auch schon wahr gewesen sein muss.« Wir lachten darüber – wir lachten tatsächlich –, und ich dachte, wie seltsam es doch war, dass wir trotz allem Elend, trotz aller Ungewissheit und Angst noch in der Lage waren, Trost in unserem alten Lieblingshobby zu finden: über meine Mutter herzuziehen. Und das nach einem Tag, den wir damit verbracht hatten, von Ermittlern vernommen zu werden, die uns nicht mochten und uns nicht über den Weg trauten.
    »Das Problem ist, dass es keine forensischen Spuren gibt«, erklärt Kit ihr gerade. »Sie haben jeden Zentimeter des Hauses abgesucht, den Teppichboden entfernt, die Dielenbretter hochgenommen – im Grunde haben sie es entkernt und die verschiedenen Teile zur Analyse geschickt, aber sie haben nichts gefunden. Nein, sie haben mehr als nichts gefunden«, korrigiert Kit sich. »Sie haben nichts gefunden, das etwas aussagt.«
    »Zwanzig Millionen sind mehr als nichts, oder, Papa?«, will Benji wissen und klopft Anton mit einem grauen Plastik-Alien aufs Bein.
    »Alles ist mehr als nichts, Kumpel.« Wenn zwischen Kit und mir alles normal wäre, würde ich ihn jetzt ansehen und eine stumme Botschaft schicken: Könnte es sein, dass das die tiefgründigste Bemerkung war, die Anton je gemacht hat?
    »Sam hat uns erklärt, dass es, forensisch gesehen, zwei unterschiedliche Bedeutungen haben kann, wenn die Spurensicherung nichts findet«, fährt Kit fort. »Entweder ist das Ergebnis eindeutig oder nicht.«
    Na, kannst du noch folgen, Anton?
    »Was soll das denn heißen?«, fragt meine Mutter ungeduldig.
    »Man kann an einem möglichen Tatort nichts finden, und man ist sich trotzdem nicht sicher, ob dort ein Verbrechen verübt wurde oder nicht. Oder, wie in diesem Fall, die Kriminaltechnik findet nichts, aber man kann zweifelsfrei ausschließen, dass dort ein bestimmtes Verbrechen verübt wurde. Sam sagt, in dem Haus kann unmöglich so viel Blut vergossen worden sein, wie Connie und Jackie Napier es beschrieben haben, ohne forensische Spuren zu hinterlassen. Da das nicht der Fall war …« Kit zuckt mit den Achseln. »Es gibt nichts, mit dem die Polizei arbeiten könnte. Die kriminaltechnischen Untersuchungen haben ergeben, dass dort niemand getötet wurde. Eine Maklerin und die beiden Vorbesitzer des Hauses legen ihre Hand dafür ins Feuer, dass der Teppichboden im Wohnzimmer seit Jahren dort liegt, Er lag schon da, bevor die derzeitige Besitzerin eingezogen ist. Die Polizei hat mit den Nachbarn gesprochen und nicht viel mehr erfahren, als dass der Bentley Grove eine schöne ruhige Straße ist. Keine der bekannten vermissten Personen passt auf die Beschreibung, die Connie und Jackie Napier

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