Das fremde Haus
ist er tot, der Schock war zu groß.
»Erst dachte ich, dass Nulli Bentley Grove 11 kaufen könnte, aber das geht nicht«, fahre ich fort. »Ich muss in das Haus einziehen, dort wohnen – andernfalls werde ich gar nichts herausfinden. Und wenn Nulli das Haus gehört und ich da wohne, wird es zu einer steuerpflichtigen Einnahme. Außerdem würde eine Privatbank Nulli nicht mal annähernd so viel leihen wie uns, und die Zinsen wären doppelt so hoch – die Rahmenbedingungen für Geschäftskredite sind viel härter als für private Hypotheken. So herum ist es perfekt. Nulli kauft Melrose, ein Haus, in dem wir nicht länger wohnen, es ist also keine steuerpflichte Einnahme, sondern eine Investition. Wir erzählen der Bank irgendeinen Scheiß darüber, dass wir es vielleicht vermieten wollen.«
»Halt den Mund!«, brüllt Kit. »Ich will nichts mehr hören. Schweig einfach.«
Gehorsam warte ich stumm, bis er bereit ist, mich in Stücke zu reißen. Kit ist kein impulsiver Mensch. Er wird seinen Angriff erst einmal durchgehen wollen.
Die anderen Gäste im Restaurant beobachten uns und versuchen so zu tun, als täten sie es nicht. Ich ziehe eine öffentliche Bekanntgabe in Erwägung: Vergesst das Taktgefühl. Uns ist längst egal, was die Leute von uns denken.
Plötzlich möchte ich unbedingt einen Kir Royal. Das Ambiente schreit danach. Wie könnte jemand in diesem limonengrün-purpurnen Raum mit der gedämpften Beleuchtung und dem Blick auf den Fluss irgendetwas anderes trinken wollen als einen Kir Royal?
Ich kann keinen Kir Royal bestellen. Es wäre nicht richtig. Unpassend. Durchgeknallte Connie.
»Hast du überhaupt eine Ahnung, wie abgefuckt das alles ist?«, zischt Kit nach ein paar Minuten. Er spricht im Flüsterton, vielleicht liegt ihm doch daran, einen guten Eindruck zu machen, selbst jetzt noch. Ich rufe mir in Erinnerung, dass ich praktisch nichts über ihn weiß, jedenfalls nichts, das wichtig wäre. »Du sagst: ›Wir haben die sechzigtausend bereits gewinnbringend eingesetzt‹, als hätten wir einen Profit gemacht! Ja, wir haben sie eingesetzt – hurra. Wir haben sie eingesetzt, um damit ein Haus zu kaufen, das wir nach zwei oder fünf Jahren verlieren werden, weil wir es uns nicht leisten können. Und Nulli Secundus, unsere Firma, die wir unter großen Mühen aufgebaut haben, in die wir seit Jahren unsere ganze Energie gesteckt haben – Nulli wird den Bach runtergehen. Es wird dauern, bis der Verkauf von Melrose Cottage an einen legitimen Käufer abgeschlossen ist, und was ist bis dahin? Zwei, drei Monate, in denen wir zahlungsunfähig sind?«
»Das stimmt«, schneide ich ihm das Wort ab. »Nulli wird dem Plan fast mit Sicherheit zum Opfer fallen. Und wir werden beide Häuser verlieren, Melrose Cottage und Bentley Grove 11. Auf der Plusseite steht, wenn Bentley Grove 11 zwangsversteigert wird, werden wir nach Abzug aller Belastungen vielleicht noch etwas übrig behalten, hängt davon ab, für wie viel die Bank es verkauft. Und wenn Nulli Melrose Cottage verkauft, selbst wenn die Firma mittlerweile kurz vor der Pleite steht, werden wir dreihunderttausend Pfund zurückbekommen, abzüglich der Insolvenzkosten.«
»Wir werden mit nichts dastehen.« Kits Stimme ist bleiern vor Elend. »Das ist etwas, das alle gemeinsam haben, die Pleite machen. Benutz doch mal deinen Kopf, verdammt noch mal.«
»Ich glaube, da bist du zu pessimistisch«, entgegne ich. »Ein wenig wird schon übrig bleiben. Vergiss nicht, wir haben zwei Häuser, aus deren Verkauf wir Kapital schlagen können.« Höchste Zeit, großzügig zu sein. Ihm einen Anreiz zu bieten. »Du kannst alles haben«, verspreche ich. »Alles, was am Ende übrig bleibt. Ich habe ernst gemeint, was ich vorhin gesagt habe: Es ist mir gleich, wenn ich arm und obdachlos ende.« Eine Stimme in meinem Kopf – wahrscheinlich die meiner Mutter – moniert: Es ist ja schön und gut zu sagen, dass es dir egal ist. Es sollte dir aber nicht egal sein.
Aber es ist mir egal.
»Ich muss die Wahrheit herausfinden«, erkläre ich Kit. »Vielleicht finde ich sie nie heraus, aber wenn, dann mit diesem Plan. Vielleicht werde ich so wenigstens ein paar Antworten auf meine Fragen bekommen.«
1,2 Millionen Pfund. Die teuerste Antwort der Weltgeschichte.
»Wenn ich ablehne, wirst du die Scheidung einreichen, richtig?«, fragt Kit.
Ich nicke.
»Was wird aus unserer Ehe, wenn ich zustimme?«
»Das hängt davon ab. Wenn ich die Wahrheit herausfinde und sich zeigt, dass
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