Das fremde Haus
Nullis Gewinne in den letzten beiden Jahren – sie sind hochgeschnellt. Ich werde die Gewinnerwartung für dieses und nächstes Jahr etwas beschönigen müssen, damit die Bank sich die Zahlen ansieht und denkt: Klasse, kein Risiko, aber das ist leicht gemacht. Die Bank wird Nulli Secundus und Bentley Grove 11 als Sicherheit bekommen – ich glaube kaum, dass sie da ablehnen werden.«
Kit schweigt. Zumindest hört er zu. Ich war mir da nicht sicher. Ich dachte, von diesem Punkt an würde ich vielleicht mit einem leeren limonengrünen Stuhl reden.
»Du hast ja meinen Brief gelesen.« Ich arbeite mich stetig durch meine vorbereitete Ansprache. »Du hast gesehen, dass ich Selina Gane 1,2 Millionen biete, den ursprünglich geforderten Verkaufspreis. Das habe ich aus zwei Gründen getan. Erstens: Sie will mich nicht sehen, sie will nicht mit mir sprechen. Zusätzliche zweihunderttausend Pfund, mit denen sie nicht mehr gerechnet hat, könnten da den nötigen Anreiz bieten. Zweitens: Sobald sich herumspricht, dass Bentley Grove 11 jetzt für eine Million weggeht, wird das Interesse so groß sein, dass die Leute sich wahrscheinlich gegenseitig überbieten werden. Damit steigt der Preis wieder. Wenn Selina Gane keine naive Idiotin ist, wird sie das wissen. Will ich also ein erfolgreiches zum Vorkauf berechtigendes Angebot vorlegen, muss ich berücksichtigen, dass die Nachfrage den Preis wieder steigen lassen könnte. 1,1 Millionen als höchstes Angebot sind in Anbetracht der Umstände wohl eine realistische Schätzung.«
»Und warum bietet du dann nicht 1,1 Millionen?« Kits Stimme ist steinern. Ich sage mir, dass das ein Fortschritt ist, zumindest beschäftigt er sich mit der Idee, stellt vernünftige Fragen.
»Ich habe daran gedacht«, erkläre ich. »Aber wenn man Selina Ganes Antipathie gegen mich mit einrechnet und die Möglichkeit, dass sie die 1,1 Million sowieso kriegen könnte – ich glaube, sie würde mir raten, mich zu verpissen. Aber 1,2 Millionen – sie wäre wirklich verrückt, wenn sie das Angebot ausschlagen würde – ich glaube nicht, dass sie das könnte.«
Und sie wird Dinge über das Haus wissen, die niemand sonst weiß – sie wird wissen, was dort verborgen ist und was verschwunden ist, was früher dort war und inzwischen fortgeschafft wurde. Die Leiche einer Frau, der Todesknopf …
Ich könnte beim Makler anrufen, einen falschen Namen angeben und Lorraine Turner bitten, mich durch das Haus zu führen, aber was sollte das bringen? Sogar ein gut informierter Makler weiß nur einen Bruchteil von dem, was der Eigentümer weiß.
Selina Gane mehr als eine Million Pfund zu bieten, scheint mir eine gute Möglichkeit zu sein, sie zu überreden, mit mir zu sprechen.
»Hörst du dir überhaupt selbst zu?«, zischt Kit und beugt sich über den Tisch, als würde ich meine Meinung eher ändern, wenn ich seiner Feindseligkeit aus größerer Nähe ausgesetzt bin.
»Sie wäre wirklich verrückt, wenn sie das Angebot ausschlagen würde? Du bist wirklich verrückt, wenn du dieses Angebot machst! Selbst wenn wir tatsächlich neunhunderttausend Pfund von irgendeiner Privatbank leihen könnten …«
»Wie sollen wir die monatlichen Zahlungen aufbringen?« Ich habe jede Frage vorausgesehen, die er stellen könnte, alle denkbaren Einwände. »Ich habe ein paar grobe Berechnungen angestellt. Wenn wir einen Kredit nehmen, bei dem anfänglich nur Zinszahlungen anfallen, keine Tilgung, und wenn wir neunzig Prozent unserer Gehälter und unsere gesamten persönlichen Ersparnisse reinbuttern, könnten wir die Zahlungen zwei oder drei Jahre leisten, abhängig von bestimmten Variablen. Was danach sein wird, weiß ich nicht. Vielleicht wird ein neues Geschäftsunternehmen uns dann reich gemacht haben, oder …«
Nein. Hör auf.
Ich habe mir selbst versprochen, nicht zu lügen. Ich will die Sache nicht einfacher machen, weder für Kit noch für mich.
Es wird keine neue Firma geben. Es gibt kein »uns« – nicht mehr.
»Wenn wir die Zahlungen nicht mehr leisten können, bekommt die Bank das Haus«, fahre ich fort. »Das ist unvermeidlich, und es macht mir keine Sorgen. Wenn ich in zwei Jahren nicht herausgefunden habe, was ich wissen muss, werde ich es wahrscheinlich nie herausfinden. An dem Punkt werde ich vermutlich aufgeben müssen.«
»Du schlägst diesen Plan vor, obwohl du weißt, dass er mit Sicherheit in den Bankrott führen wird?«
»Es macht keinen Sinn, Geld zu haben, wenn man nicht bereit ist, es für
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