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Das fremde Haus

Das fremde Haus

Titel: Das fremde Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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Rundgang anschaute, außer beim ersten Mal.«
    Noch eine Erinnerung kehrt zurück: Meine Mutter, Fran, Benji und ich im »Bella Italia« in Silsford. Letztes Jahr waren wir dort essen, zur Feier von Benjis erstem zweiten Zahn. Die Kellnerin gab Benji ein Sortiment, das sie wohl allen Kindern geben: Buntstifte, Malvorlagen, bei denen man die Punkte verbinden musste, Wörtersuchrätsel, verschiedenste Spiele, um ihn bei Laune zu halten. Darunter waren auch zwei fast identische Bilder eines Hundes, der unter einem Baum sitzt – man sollte versuchen, die sieben Unterschiede zwischen den Bildern zu finden. Die ersten drei oder vier waren ziemlich offensichtlich, sogar für Benji. Fran, meine Mutter und ich schafften es gemeinsam, den fünften und sechsten Fehler zu finden, aber den siebten konnte keiner von uns entdecken. Nach fast einer halben Stunde Quälerei und endlosen Starrens auf das Papier gaben wir uns geschlagen und schauten bei den Lösungen nach, die verkehrt herum unten auf der Seite standen. Die siebte Unterschied war so minimal, dass wir ihn wohl nie entdeckt hätten, egal, wie viele Stunden wir mit der Suche verschwendet hätten: eine zusätzliche Linie im untersten Blatt des Baumes in Bild 2.
    »Es gibt einen Namen für das, was Sie da beschreiben«, sagt Selina Gane. »Man nennt es Hypotheken-Knopf.«
    »Einen was?«
    Sie seufzt. »Ich brauche was zu trinken. Kommen Sie.«
    Ich folge ihr in die Küche, die ich so oft auf dem Bildschirm meines Laptops gesehen habe. Sie zieht mir einen der hohen Hocker heraus, die um die Kücheninsel in der Mitte der Küche gruppiert sind – die obligatorische Insel, so hat Kit sie genannt –, und bedeutet mir, Platz zu nehmen. »Tee oder Whisky?«, fragt sie.
    »Tee bitte.«
    »Ich glaube, ich brauche beides«, sagt sie.
    Ich warte schweigend, während sie für die Getränke sorgt. Das Wort »Hypotheken-Knopf« dreht sich langsam in meinem Kopf. Ich betrachte es aus jedem Blickwinkel, aber ich begreife es immer noch nicht. Wie kann es so etwas wie einen Hypotheken-Knopf geben? Es klingt absolut unwahrscheinlich.
    Selina tut Milch in meinen Tee, aber keinen Zucker. Genau darum hätte ich gebeten, wenn sie mich gefragt hätte.
    Sie setzt sich nicht, sondern lehnt sich an die Spüle, mit dem Rücken zum Fenster, ihr Glas Whisky in beiden Händen. »Es ist eine amerikanische Tradition«, erklärt sie schließlich. »Wenn man die Hypothek abbezahlt hat und einem das Haus richtig gehört, kauft man sich einen Hypotheken-Knopf und befestigt ihn oben auf dem Antrittspfosten des Treppengeländers, genau in der Mitte – eben dort, wo Sie ihn gesehen haben. Es gibt billige Knöpfe aus Plastik, Knöpfe aus Holz, geschnitzte Knöpfe, sogar welche aus Elfenbein – für Leute, die allen Besuchern vorführen wollen, wie wohlhabend und erfolgreich sie sind.« Ihr Ton verrät, wie wenig sie von solchen Leuten hält. »Hypotheken-Knöpfe sehen ein bisschen aus wie weiße Damesteine – Sie wissen schon, das Spiel.«
    Als ich klein war, haben meine Eltern immer Dame gespielt, bis sie schließlich Frans und meinen Protesten nachgaben und einen Fernseher kauften – etwas, das jeder normale Mensch im Land schon vor Jahren getan hatte. »Ja, genau so sah es aus: wie ein übergroßer Damestein.«
    »Dann habe ich recht«, sagt Selina. »Was Sie gesehen haben, war ein Hypotheken-Knopf. Aber in diesem Haus hat sich nie einer befunden.«
    Ich höre nicht den leisesten Anklang eines amerikanischen Akzents. »Aber Sie kennen den Brauch«, sage ich und hoffe, dass es nicht allzu sehr nach einer Anschuldigung klingt.
    »Meine Freundin hat so einen.« Selinas Blick gleitet von mir weg. »Sie kommt aus New England.« Ich fühle mich, als wäre ein Scheinwerfer, der auf mich gerichtet war, plötzlich abgeschaltet worden. Ich stehe nicht länger im Zentrum ihrer Aufmerksamkeit. Sie nagt an der Unterlippe und starrt auf ein Regal – genauer gesagt auf einen weißen Porzellanbecher, der mit roten Federn bemalt ist. Sie greift danach, wirft einen Blick hinein und stellt ihn wieder auf das Regal zurück. Ich höre ein Klirren. Was immer da drin ist, sie wollte sich überzeugen, dass es noch da ist.
    Der weiße Knopf? Aber nachdem sie abgestritten hat, dass es hier je einen gegeben hat, würde sie wohl kaum so auffällig danach schauen.
    »Was verschweigen Sie mir?«, frage ich. Dieselbe Frage, die ich vor ein paar Tagen Sam Kombothekra gestellt habe, die Frage, die ich Kit seit Januar bestimmt tausend

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