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Das fremde Haus

Das fremde Haus

Titel: Das fremde Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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besser – halt es vage. Leg ihr keine Worte in den Mund, lass sie es aussprechen. »Es hat nicht immer so ausgesehen wie jetzt, oder?« Ich klopfe auf die flache Oberseite des Holzwürfels.
    Selina Gane wirkt verwirrt. »Doch. Es hat immer so ausgesehen. Was meinen Sie genau?«
    »Früher war hier oben noch so ein Zierteil. Es war weiß und rund, wie … wie eine dicke Scheibe. Es war hier oben angebracht, aber es war weniger breit.« Ich klopfe wieder auf die flache Oberfläche.
    »Nein.« Sie schüttelt den Kopf.
    Doch. Ich habe es gesehen.
    Ich versuche es noch einmal. »Wie ein großer Knopf. Hier in der Mitte. Weiß, vielleicht auch cremefarben.«
    »Ein Knopf?« Ich verfolge, wie sie versucht, eine Verbindung herzustellen. Sie weiß, wovon ich spreche. Als sie den Mund aufmacht, stelle ich mir den Bruchteil einer Sekunde vor, sie würde lächeln und sagen: »Willkommen im Todesknopf-Zentrum.« Mein Herz stolpert, sein Rhythmus verändert sich mit jedem Schlag – dehnt sich aus und zieht sich ruckartig wieder zusammen. Ich könnte wegrennen, wenn ich nur wüsste, vor wem oder was ich davonlaufen soll. Einmal habe ich etwas zu Alice gesagt, um ihr Mitgefühl zu wecken, das damals nicht stimmte, aber inzwischen stimmt es: Ich beneide jeden, der weiß, was ihn bedroht, der es zumindest benennen kann, auch wenn er ihm nicht entkommen kann. Angst, die sich an nichts Konkretem festmachen lässt, ist hundert Mal schlimmer als Angst mit einem handfesten Grund.
    »Warum fragen Sie nach meinem Treppengeländer?« Das Aufflammen von Feindseligkeit in Selina Ganes Stimme ist unverkennbar. Mir fällt wieder ein, dass sie nicht verpflichtet ist, mir irgendetwas zu erzählen, dass sie jeden Grund hat, mir nicht zu trauen.
    »Entschuldigung. Ich hätte es erklären sollen«, sage ich. »Das Letzte, was wir beide brauchen können, sind noch mehr unbeantwortete Fragen.«
    »Das will ich nicht bestreiten«, entgegnet sie.
    »Ich habe es auf dem Foto gesehen, dem Foto, auf dem auch die tote Frau war. Bei dem virtuellen Rundgang fing das Wohnzimmer an zu rotieren …«
    »Rotieren?«
    »Die Bilder in einem virtuellen Rundgang sind keine Standbilder«, erkläre ich. »Jemand muss jeden Raum mit einer Kamera in der Hand filmen und sich dabei um 360 Grad drehen.«
    Als das Wohnzimmer aufgenommen wurde, muss der Fotograf direkt am Rande der Blutlache gestanden haben. Er oder sie muss darum herumgegangen sein, mit der Kamera in der Hand, und muss aufgepasst haben, ja nicht in die rote Flüssigkeit zu treten …
    Ich verdränge den Gedanken.
    »Irgendwann während dieser Drehung waren der Flur und der untere Teil der Treppe durch die offene Wohnzimmertür zu sehen. Man konnte das hier erkennen.« Ich umfasse den abgerundeten Kubus oben auf dem ersten Treppenpfosten mit beiden Händen. »Hier oben drauf war noch ein weißes Teil – rund und flach, nicht kugelförmig. Ich habe es eindeutig gesehen. Erst wollte es mir partout nicht einfallen, aber ich wusste, irgendetwas fehlte, ich hatte noch irgendetwas anderes gesehen außer der Frau und dem Blut. Und gestern dann … Ich habe mit jemandem gesprochen und sagte das Wort ›Knopf‹, und plötzlich hatte ich das Bild ganz deutlich vor Augen.«
    »Diese Treppe hat immer so ausgesehen wie jetzt«, beharrt Selina Gane.
    Sie lügt.
    »Als ich Kit aufweckte und er sich den Rundgang ansah, war die Leiche der Frau verschwunden und das weiße Dingsbums ebenfalls.« Ich umklammere immer noch den ersten Pfosten des Geländers, als könnte ich durch die Berührung seine reale Existenz irgendwie zur Erhärtung meiner Behauptung hinzuziehen. »Ich habe den Rest der Nacht damit zugebracht, den virtuellen Rundgang immer wieder aufzurufen, ihn mir anzusehen, ihn zu schließen und wieder zu öffnen. Das habe ich bestimmt an die zweihundert Mal getan – öffnen, das Wohnzimmer ansehen, schließen –, aber die Leiche der Frau oder das Blut tauchten nicht wieder auf.« Mir wird schwindelig, und ich befehle mir selbst, langsam und tief zu atmen. Erst widersteht die Luft meinen Anstrengungen und will nicht in meine Lungen. Ich gebe den Versuch auf und atme stattdessen aus bis in den Bauch. Leer. Dann hole ich langsam und gleichmäßig Luft und spüre den Sauerstoff hereinströmen wie eine Rettungsmannschaft.
    »Auch das weiße Dingsbums tauchte nicht wieder auf«, sage ich. »Es war auf dem Bild mit der toten Frau, aber nicht auf dem anderen Foto – dem, das ich jedes Mal zu sehen bekam, wenn ich mir den

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