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Das fremde Haus

Das fremde Haus

Titel: Das fremde Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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erzählt habe, die Kit sich für unser Haus in Cambridge ausgedacht hatte. Je länger ich darüber nachdenke, desto besser gefällt es mir – das Todesknopf-Zentrum. Wir könnten uns eine Plakette für die Haustür machen lassen. Nein, ich weiß etwas noch Besseres: nennen wir es doch Pardoner Lane 17.
    Wie ist es möglich, dass ich Alice das erzählen konnte, ohne zu begreifen?
    »Connie?« Ich höre Selinas Schritte über meinem Kopf.
    »Ich komme«, rufe ich. Ich stopfe die Schlüssel in meine Tasche, stelle den leeren Becher auf das Regal zurück und laufe wieder nach oben. »Ich muss los«, sage ich. »Ich habe gerade …« Mir fällt keine passende Lüge ein. »Es ist etwas passiert.« Etwas Besseres fällt mir nicht ein. Ich muss von hier weg, bevor Selina merkt, dass ich die Schlüssel gestohlen habe.
    Warum hast du sie mitgenommen? Was hast du damit vor?
    Selina Gane runzelt die Stirn. »Sie wollen das Haus doch aber noch kaufen, oder?«
    Eine Sekunde habe ich Angst, dass ich ihr ins Gesicht lachen werde. Was würde sie sagen, wenn ich ihr mitteilte, dass es nicht länger nötig ist, dass ich mehr als gefordert für ihr Haus bezahle? Es tut mir ja so leid, aber ich werde wohl passen müssen – es ist mir gelungen herauszufinden, was vorgeht, ohne mich in den Ruin zu stürzen. Freuen Sie sich nicht für mich, Frau Doktor?
    Alles hat sich geändert. Ich muss Bentley Grove 11 nicht mehr kaufen.
    Aber ich will es gern. Warum?, fragt meine innere Alice. Weil das Haus in Cambridge liegt , erkläre ich ihr, und weil ich dort leben will. Seit 2003 habe ich mir gewünscht, in Cambridge zu leben. Und dieses Haus steht zum Verkauf, ich habe bereits ein Angebot dafür abgegeben, und niemand wurde hier umgebracht – in dem Punkt habe ich mich geirrt. Und … als ich ›Heimatort‹ in das Navi eingab, war das die Adresse, die mir genannt wurde: Bentley Grove 11.
    Ich komme nicht dahinter, ob meine Gründe völlig verständlich oder total verrückt sind, und es ist mir auch egal.
    »Ich will es immer noch kaufen«, versichere ich Selina Gane. »Keine Sorge, ich lasse Sie nicht im Stich.« Und dann laufe ich los.

20
    24. 7. 2010
    »Danke.« Alice Bean lächelte, als Charlie den Brief entgegennahm. »Sam Kombothekra wirkte leicht panisch, als ich versuchte, ihm den zu geben.«
    »Männer sind Feiglinge.« Charlie sorgte dafür, dass Alice mitbekam, wie sie den Umschlag sicher in ihrer Handtasche verstaute. »Man könnte Sam eine Nachricht an den Milchmann geben, und er würde sich besorgt fragen, ob er damit nicht in irgendeinen Skandal verwickelt wird.«
    »Es ist nicht meine Absicht, irgendwem Probleme zu bereiten. Ganz im Gegenteil. Mir liegt etwas an Simon.«
    »Dann ergreifen Sie die Gelegenheit, ihm zu helfen.« Charlie rief sich in Erinnerung, dass sie hier war, um dieser Frau Informationen zu entlocken. Es wäre allzu leicht gewesen, mit der Bemerkung zu kontern: »Ja, aber er will nichts mit dir zu tun haben – was glaubst du, warum ich hier bin?«
    Sie hatte das Café Spillages als Treffpunkt vorgeschlagen, aber Alice wollte sich unbedingt im Park mit ihr treffen. Vorhin hatte Charlie das irritiert – sie hasste Leute, die ständig davon redeten, »eingepfercht« zu sein und die so taten, als müsse man beim ersten Sonnenstrahl sofort ins Freie stürzen –, aber jetzt war sie froh, an der frischen Luft zu sein, dem schmalen baumbestandenen Weg um den See zu folgen und den Vögeln zuzuhören, die eine lebhafte Debatte in einer Sprache führten, die sie nicht verstand. Wenn man neben jemandem ging, brauchte man ihm nicht ins Gesicht zu sehen oder ihn sein Gesicht sehen zu lassen. Alice an einem Tisch gegenüberzusitzen wäre viel schwieriger gewesen.
    Es wäre noch schwerer gewesen, der Versuchung zu widerstehen, plötzlich zu bemerken: »Ach übrigens – rat mal, wer letzten Freitag geheiratet hat.« Vor ihrem Anruf bei Alice hatte Charlie beschlossen, es nicht zu erwähnen. Sie wusste, wenn sie es tat, würde offene Feindschaft zwischen ihnen herrschen, auch wenn sie nicht genau wusste, wie es dazu kommen würde. Wahrscheinlich würde es ihr Fehler sein. In ihrer offiziellen Funktion als Simons Frau wäre sie vielleicht verpflichtet gewesen, Alice zu raten, sich ihren Brief sonstwohin zu stecken.
    Sie hoffte, sie würde später froh darüber sein – vielleicht sogar stolz darauf –, dass sie den reifen, nicht-konfrontativen Weg gewählt hatte. Im Augenblick hatte sie eindeutig wenig Freude daran.

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