Das fremde Haus
schon beim letzten Mal erfolgreich an den Mann bringen konnte. So würde ich jedenfalls vorgehen, wenn ich Melrose Cottage verkaufen wollte.«
» Du würdest Melrose Cottage nicht verkaufen«, werfe ich ein. » Wir würden das tun.« Ich möchte mich bei Sam dafür entschuldigen, dass Kit ihn unterbrochen hat. Ich hasse es, wenn er so angibt.
»Die Kollegen in Cambridge haben gestern mit Lorraine Turner gesprochen. Ich habe heute Morgen mit ihr telefoniert. Ich denke, Sie werden beruhigt sein, wenn ich Ihnen sage, was ich von ihr erfahren habe. Im Dezember 2006 beschlossen die Beaters, ihr Haus im Bentley Grove zu verkaufen – sie wollten aufs Land ziehen.«
Warum das denn, um Himmels willen?
»An dem Tag, an dem sie diesen Entschluss fassten, schickte Mrs Beater ihren Mann los, um einen Weihnachtsbaum zu kaufen.«
»Soll ich uns allen einen Becher Kakao machen?«, höhnt Kit. »Klingt ganz nach dem Anfang einer Gutenachtgeschichte.«
»Sie werden gleich sehen, warum das relevant ist«, sagt Sam.
Mit anderen Worten, unterbrechen Sie mich nicht noch einmal.
»Sie war nicht zu Hause, als er mit dem Baum zurückkam, und konnte ihn daher nicht daran erinnern, etwas zum Schutz des Teppichbodens auszulegen, bevor er den Baum aufstellte. Der Topf hatte einen löchrigen Boden, die Erde darin war feucht …«
»Was für ein Trottel.« Kit lacht. »Ich wette, die Beater-Gattin hat ihrem Gatten eine Gardinenpredigt gehalten, die er nie vergessen wird.«
»Sehr wahrscheinlich.« Sam lächelt.
Warum amüsieren sich hier alle außer mir bestens? Ich kann das nicht ernst nehmen, nichts von alledem – diese ganzen Trivialitäten über Weihnachtsbäume und mir unbekannte Leute, aber gleichzeitig kann ich nichts Komisches daran finden. Ein ekelhaftes Bild steigt in mir auf: Ich sehe mich, wie ich mir das Gesicht zerkratze, bis sich die Haut löst, bis nichts mehr übrig bleibt als rotes, gesichtsloses rohes Fleisch, wo mal mein Kopf war.
»Als Lorraine Turner kam, um das Haus zu begutachten, hat Mrs Beater ihr als Erstes den ruinierten Teppichboden im Wohnzimmer gezeigt. Es gab eine längere Tirade über die Unfähigkeit ihres Mannes: ›Typisch Mann, völlig nutzlos – ausgerechnet an dem Tag, an dem wir beschließen, das Haus zu verkaufen …‹ Und so weiter. Sie können es sich vorstellen. Mrs Beater beauftragte eine professionelle Teppichreinigungsfirma, aber der Fleck ließ sich nicht völlig beseitigen. Eine bräunliche, ringähnliche Stelle blieb zurück, die nicht zu entfernen war.«
Sam, der bislang mit Kit gesprochen hat, wendet sich an mich. »Letzten Montag hat Lorraine Turner die Immobilie für Dr. Gane geschätzt. Es war dreieinhalb Jahre her, seit sie zuletzt einen Fuß in das Haus gesetzt hatte, aber der Fleck war immer noch da. Sie machte offenbar einen Witz darüber, was sie gleich bereute, weil Dr. Gane es völlig falsch aufgefasst hat – als wollte Lorraine andeuten, dass sie eine schlampige Hausfrau sei, weil sie den ruinierten Teppichboden der Vorbesitzer nicht ausgetauscht hatte. Es war ein bisschen peinlich, sagt Lorraine.«
Soll ich jetzt etwa Mitgefühl für eine Maklerin empfinden, die ich noch nie gesehen habe? Kit lacht – das perfekte Publikum.
»Sie hat ein Video von Haus und Garten für den virtuellen Rundgang aufgenommen und Fotos für die Broschüre und die Website des Maklerbüros gemacht«, fährt Sam fort. »Unter anderem hat sie ein Foto des Wohnzimmers aufgenommen, auf dem der Weihnachtsbaum-Flecken auf dem Teppich deutlich zu erkennen war – das Foto, das wir uns gerade angesehen haben.«
»Und?« Es kommt unhöflicher heraus, als ich beabsichtigt hatte. »Was beweist das? Was soll das mit der toten Frau zu tun haben, die ich gesehen habe?«
»Connie«, murmelt Kit.
»Ist schon gut«, sagt Sam. Ich glaube, Kit tut ihm leid. Kann nicht leicht sein, mit einer Verrückten verheiratet zu sein, denkt er wohl. »Am Samstagnachmittag, also fast zwölf Stunden, nachdem Sie die Tote in dem Video gesehen haben, zeigte Lorraine Turner einem jungen Paar das Haus. Sie hat ihnen die Weihnachtsbaumgeschichte erzählt und ihnen den Fleck gezeigt. Es war derselbe Fleck, Connie – Lorraine ist bereit, das zu beschwören. Der Rest des Teppichbodens war makellos. Kein Blut.« Er wartet, bis es zu mir durchgedrungen ist. »Verstehen Sie, was ich damit sagen will?«
»Dass auf dem Teppich unmöglich Blut gewesen sein kann. Sind Sie sich da sicher? Ich habe schon Sachen mit Blutflecken
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