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Das fremde Haus

Das fremde Haus

Titel: Das fremde Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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monoton. »Wäre es Lorraine Turner aufgefallen, wenn eine Linie quer durch den Raum verläuft, hinter der der eine beige Teppichboden aufhört und ein anderer anfängt, in genau demselben Farbton? Haben Sie sie gefragt?«
    »Das ist doch lächerlich«, murmelt Kit. »Gleich wirst du vorbringen, dass Selina Gane einen anderen beigen Teppichboden über den ursprünglichen Teppichboden gelegt hat, jemanden ermordete, den blutdurchtränkten Teppich entfernte und den Teppich darunter in erstklassigem Zustand vorfand, wunderbarerweise völlig fleckfrei.«
    »Das ist eine mögliche Definition von lächerlich, da stimme ich dir zu«, kontere ich. »Eine andere ist: Man tut, als wäre nichts passiert, obwohl man weiß, dass es passiert ist. Den eigenen Augen nicht zu trauen, das ist lächerlich.« Ich wende mich an Sam. »Was wird die Polizei von Cambridge jetzt unternehmen?«
    Sein Gesicht verrät mir alles, was ich wissen muss. Ich öffne den Mund, um zu protestieren, aber ich habe die Herrschaft über die Worte verloren, die ich benutzen wollte. Alles verschwimmt. Sam ist ein unscharfer rosa Fleck.
    »Con?«, höre ich Kit sagen. Seine Stimme klingt, als käme sie von der anderen Seite der Welt. »Wirst du wieder ohnmächtig?«
    Mein Kopf schrumpft, geht in Stücke, schwebt. Ich kann Teile meines Körpers nicht mehr spüren. Kann nicht sprechen.
    »Soll ich ihr etwas zu trinken holen?«, fragt jemand – Sam, glaube ich.
    »Wasser«, versuche ich herauszubringen.
    Man soll eigentlich den Kopf zwischen die Knie legen – Kit versucht immer, mich dazu zu bringen –, aber ich fühle mich wohler, wenn ich mich gerade aufrichte und nichts tue außer ein- und auszuatmen, bis es vorübergeht. Alice findet das okay. »Hör auf deinen Körper«, sagt sie immer. »Er wird dir verraten, was du gerade brauchst.«
    Allmählich spüre ich, wie ich mich wieder zusammensetze, als hätte mich jemand wieder zusammengestrickt. Gott sei Dank. Jedes Mal, wenn das passiert, frage ich mich, ob ich wieder zurückkommen werde. Als ich wieder klar sehen kann, sehe ich, dass Sam sich an der Durchreiche angestellt hat.
    »Warum geht er nicht an die Spitze der Schlange?«, beanstandet Kit. »Du brauchst das Wasser dringender, als dieser Typ mit den fettigen Haaren da seine Spiegeleier mit Bratkartoffeln braucht.«
    »Ich weiß nicht, ob Wasser mir helfen wird«, sage ich.
    »Wenn Kombo uns gleich etwas zu trinken angeboten hätte, wäre das gar nicht passiert. Es ist total stickig hier drin – du bist wahrscheinlich dehydriert. Warum sich in einer Kantine treffen, wenn man dort nicht mal was zu trinken bekommt?«
    »Alice hält die Schwindelanfälle für stressbedingt«, erkläre ich. Das habe ich ihm schon oft gesagt.
    »Klasse. Es ist also meine Schuld, wie alles andere auch.«
    »Das habe ich so nicht gemeint.«
    »Connie, hör mir zu.« Kit ergreift meine Hände und nimmt sie in die seinen. »Das ist ein Wendepunkt in unserem Leben. Jedenfalls könnte es einer werden, wenn du es zulässt.«
    »Du meinst, wenn ich die Leiche vergesse, die ich auf der Website von Roundthehouses gesehen habe – wenn ich bereit bin, so zu tun, als hätte ich mir alles nur eingebildet.«
    »Du hast es dir eingebildet, Schatz. Du kannst nicht beides haben, das musst du doch einsehen. Wenn der Stress bei dir Schwindelanfälle verursacht, kann er auch dazu führen, dass du Dinge siehst, die gar nicht da sind. Es war ein Uhr morgens, und du warst total erschöpft.«
    Das stimmt.
    »Wenn man sich Dinge einbildet, ist man noch lange kein Psychowrack, Con. Du redest mit dem Mann, der sich mal eingebildet hat, dass Grashalme sich in ein gigantisches Grasungeheuer verwandeln und seine Füße angreifen – weißt du noch?«
    »Du warst total blau. Und bekifft.« Zögernd lächle ich bei der Erinnerung. Ein paar Wochen, nachdem wir uns kennengelernt hatten, weckte Kit mich mitten in der Nacht, weinte und verlangte von mir, dass ich seine Schnürsenkel begutachten solle, die, so behauptete er, vom Angriff des Grasungeheuers ganz zerschlissen und löchrig seien. Es dauerte fast eine Stunde, bis ich ihn davon überzeugt hatte, dass es kein Ungeheuer gab und seine Schnürsenkel völlig heil waren. Am nächsten Morgen erklärte er Marihuana zur Wurzel allen Übels. Seitdem hat er nie wieder was angerührt.
    »Ich habe dich angelogen«, sage ich. »Ich fahre seit einiger Zeit nach Cambridge. So gut wie jeden Freitag.« Ich blicke auf den weißen melaminbeschichteten Tisch und

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