Das fremde Haus
sich unmöglich in Charlies Haus mit ihm treffen. Sex in dem Bett, das Charlie mit Simon teilte? Undenkbar. Sie griff nach einem Kugelschreiber und schrieb »Olivia Gibbs« in die Namensspalte ihres Kalenders auf der Seite für die persönlichen Einträge. Es sah gut aus, sehr harmonisch: die Rundheit der beiden Großbuchstaben, O und G …
Sollte sie es lieber durchstreichen? Sie hatte nur wissen wollen, wie es sich anfühlt, das zu schreiben, mehr nicht. Am besten strich sie es gleich wieder durch. Andererseits, Dom würde es nicht auffallen, nicht mal, wenn man ihm ihren Terminkalender direkt vor die Nase hielt. Das Großartige an Dom war, vom Fremdgeh-Standpunkt aus gesehen, dass er sich für fast nichts interessierte.
»Also, was meinst du?«, fragte Gibbs.
»Nein. Auf keinen Fall.« Wenn sie nur auch bei Etta vom MUST-Magazin so energisch sein könnte.
Olivia hatte keine Willenskraft und fand Leute merkwürdig, die welche hatten und sie gegen sich selbst einsetzten. Ängste hatte sie glücklicherweise reichlich. Sie hätte Gibbs’ Vorschlag nicht annehmen können, ohne das Gefühl zu haben, eine Grenze zu überschreiten, vor deren Überschreitung sie panische Angst hatte, sogar mit dem Sicherheitsnetz einer möglichen späteren Absage vor Augen.
»Also gut, dann ein Hotel«, sagte er.
»Was ist mit deiner Arbeit? Und mit Debbie?« Sie blätterte zum »Notizen«-Teil hinten in ihrem Terminkalender vor und schrieb erneut »Olivia Gibbs«, diesmal mit ordentlicherer Handschrift. Darunter malte sie es noch einmal in Druckschrift.
»Das ist mein Problem, nicht deins«, sagte Gibbs. »Wenn du nicht nach Spilling kommen willst, komme ich nach London.«
»Wenn du eine … Freundin willst, solltest du dir eine suchen, die in der Nähe wohnt.« Olivia betete, er möge ihren Rat nicht befolgen. Warum gibst du ihm dann solche Ratschläge?
»Warum sollte ich? Es gibt nur zwei Menschen, die mich nicht langweilen: Simon Waterhouse und du. Mit Waterhouse will ich nicht vögeln – bleibst nur noch du.«
»Ich dachte, ich langweile dich.« Olivia fühlte sich verpflichtet, ihn darauf hinzuweisen, für den Fall, dass er es vergessen hatte. »Du hast mich mit der Wochenendbeilage einer Zeitung verglichen.«
»So habe ich es nicht gemeint. Ich wusste nur nicht, was ich von dir halten sollte.«
Sie hörte ein knirschendes Kaugeräusch. Aß er einen Apfel? »Dieses ›Los Delfines‹«, sagte er. Kurz fragte Olivia sich besorgt, ob er gleich vorschlagen würde, dass sie sich dort treffen sollten, um Sex in Simons und Charlies Flitterwochen-Villa zu haben. »Ich muss Stepford mitteilen, dass Waterhouse dort ist, in dieser Villa. Es hat sich etwas ergeben.«
»Was?! Auf keinen Fall, Chris. Wenn du es ihm sagst, werde ich …« Ihr fiel nichts ein, womit sie drohen konnte. »Was hat sich ergeben?«
Mehr knirschende Kaugeräusche. Dann: »Du erlaubst mir, dass ich es Stepford sage, und ich erzähle dir, was sich ergeben hat.«
»Nein! Du wirst nicht Charlies Flitterwochen kaputt machen, indem du Sam verrätst, wo sie sind, damit er Simon zurück nach Spilling schleifen kann. Mir wird ganz schlecht, wenn ich nur daran denke.«
»Er muss nicht herkommen – Stepford will nur kurz mit ihm reden, das ist alles. Ich gebe ihm die Nummer des Verwalters der Villa, die auf der Website steht – Domingos Pizza oder so ähnlich. Stepford ruft an, und alles ist in fünf Minuten erledigt – Waterhouse kann wieder in seinen Liegestuhl zurück.«
Olivia schnitt dem Telefon eine Grimasse. »Wie wichtig ist es genau?« Sie konnte nicht widerstehen und fügte hinzu: »Luxusvillen haben Sonnenliegen, keine Liegestühle.«
»Es könnte etwas mit einem Mord zu tun haben.«
»Oh verdammt, verdammt, verdammt. Warum habe ich dir bloß verraten, wo sie sind?«
»Du willst wirklich nicht, dass ich etwas sage?«
»Wie könntest du es für dich behalten, wenn jemand ermordet wurde?«
»Das Opfer wäre immer noch tot, wenn Waterhouse in zwei Wochen zurückkommt«, sagte Gibbs.
Olivia konnte fast das Achselzucken in seiner Stimme hören. »Was ist das denn für eine Einstellung?«, fuhr sie ihn an. »Versuchst du, mich zu beeindrucken, indem du den Anarchisten gibst? So funktioniert das aber nicht. Das Regelwerk zu zerreißen und es allein anzugehen ist cool. Gleichgültigkeit gegenüber dem willkürlichen Abschlachten unschuldiger Zivilisten ist schlicht nicht hinnehmbar.«
»Ich weiß nicht mal mit Sicherheit, ob jemand getötet wurde. Du
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