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Das fremde Haus

Das fremde Haus

Titel: Das fremde Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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liefen in den Flur hinaus. Sie kniete auf allen vieren und beugte sich über einen Karton. Darin befand sich eine klumpige schwarze Masse, teilweise noch fest, aber größtenteils verflüssigt. Von dem penetranten Gestank musste ich würgen. »Was ist das denn?«, rief mein Vater und hob den geheiligten guten Tropfen auf, den meine Mutter vor Schreck hatte fallen lassen.
    »Es muss ein Kohlkopf sein, glaube ich«, erwiderte sie. »Ich erinnere mich, dass ich vor Ewigkeiten mal einen Kohlkopf hier verstaut habe, in einem Karton …«
    »Tja, jetzt ist es kein Kohl mehr«, bemerkte mein Vater und stieß Kit in die Rippen, wie um zu sagen: »Wieder eine zum Brüllen komische Episode im Leben der Familie Monk!«
    »Ich beseitige das für dich, Val.« Anton schob meine Mutter zur Seite wie ein Bombenentschärfungs-Experte, der dabei ist, den Fundort zu sichern.
    »Anton eilt zur Rettung herbei«, erklärte mein Vater an Kit gewandt, als würde der nicht verstehen, was vorging, sodass Untertitel erforderlich waren. »In einer Krise ist er unübertroffen.«
    »Ja«, murmelte Fran. »Wenn es darum geht, verrottende Gemüse zu entsorgen, kommt ihm niemand gleich.«
    Als ich Kit ansah, graute mir vor dem Abscheu, den ich auf seinem Gesicht zu sehen erwartete. Er grinste mich an und weitete leicht die Augen, ein geheimes Signal, das bedeutete: »Wir reden später darüber«. Ich lächelte ihn an und war dankbar, weil er mir das Gefühl vermittelte, ein Mit-Außenseiter zu sein, nicht Teil des Thorrold-House-Irrsinns. Nicht impliziert.
    Wir alle verfolgten, wie Anton die Haustür öffnete und den Karton mit dem früheren Kohlkopf hinaustrug. »Gut.« Mein Vater klatschte in die Hände. »Zurück zu dem, was wichtig ist: Essen und Wein.«
    Wir aßen unsere kalte Lasagne – mein Vater erklärte sie beharrlich für noch »heiß«, während meine Mutter ständig drohte, sie in der Mikrowelle aufzuwärmen –, und tranken den Wein, der ganz gut war, aber nicht überwältigend. Als der überschätzte »gute Tropfen« alle war, öffnete mein Vater noch eine Flasche ganz normalen Wein. Er nörgelte ständig an meiner Mutter herum, weil sie die Flasche hatte fallen lassen, verrotteter Kohl hin oder her, schließlich »hätte sie leicht kaputtgehen können«, obwohl das nicht geschehen war. Kit versuchte, ihn davon abzuhalten, ihm ständig wieder nachzuschenken, und mein Vater langweilte mich und Fran und schockierte Kit mit seinen Ansichten über Alkohol am Steuer: »Ich finde, wenn man nicht verantwortungsbewusst fahren kann, nachdem man ein paar intus hat, sollte man überhaupt nicht fahren. Ein guter Fahrer ist ein guter Fahrer, beschwipst oder nüchtern.«
    Irgendwann brach meine Mutter ohne erkennbaren Anlass in Tränen aus und lief aus dem Zimmer. Verblüfft hörten wir, wie sie schluchzend nach oben lief. Mein Vater fragte Fran: »Was ist denn los mit ihr? Zu viel Vino, oder was?«
    »Keine Ahnung«, sagte Fran. »Warum lässt du sie nicht ein paar Stunden die Autobahn rauf- und runterfahren? Wenn sie einen Unfall baut, war sie angetrunken. Wenn nicht, dann nicht. Oder ist es andersherum, deiner Theorie zufolge?«
    »Geht und seht nach ihr«, befahl er. »Eine von euch. Connie?«
    Ich starrte auf meinen Teller und ignorierte ihn. Fran seufzte und machte sich auf die Suche nach ihr.
    Mein Vater sagte: »Gleich gibt es eine schöne Tasse Tee und Nachtisch – Apfel-Rhabarber-Crumble, glaube ich.« Er meinte, dass wir beides bekommen würden, wenn meine Mutter wieder herunterkam. Ich unterdrückte den Drang, zu Kit zu sagen: »Mein Vater kriecht dir vielleicht in den Arsch und zwingt dir seinen besten Wein rein, aber er wird dir niemals, niemals einen Tee machen, egal, wie viele Jahre du an seinem Küchentisch sitzt oder wie durstig du bist.«
    In dem Augenblick erschien mir das wie eine Form von Grausamkeit, einen Menschen zu kennen und angeblich zu lieben – die eigene Tochter –, aber ihr in ihrem ganzen Leben niemals eine Tasse Tee oder Kaffee angeboten zu haben, es sei denn im sicheren Wissen, dass jemand anderes das erledigen würde.
    Als Fran wieder erschien, wirkte sie verärgert. »Sie sagt, sie wird gleich runterkommen. Es ist wegen dem Kohlkopf.«
    »Wieso denn das, um Himmels willen?«, sagte mein Vater ungeduldig.
    Fran zuckte mit den Achseln. »Ich konnte nicht viel aus ihr rausbekommen. Wenn du mehr Infos willst, frag sie selbst.«
    Ein paar Minuten später kam meine Mutter in die Küche gerauscht, mit frisch

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