Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das fremde Haus

Das fremde Haus

Titel: Das fremde Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
Vom Netzwerk:
Ahnung, wie die Fakten meines Lebens aussehen würden, wenn ich sie emotionsfrei betrachtete.
    Besser, ich sage nichts von alldem zu Sam. Ich habe ihm schon genug Probleme bereitet, ohne ihn auch noch in eine Debatte über das Wesen der Realität zu verwickeln.
    Du denkst zu viel, Con. Fran wirft mir das vor, seit wir vierzehn waren.
    »Und drittens?«, fragt Sam.
    »Wie bitte?«
    »Der dritte Grund, der Sie sicher macht, dass Kit die Adresse eingegeben hat.«
    Ich werde es ihm sagen müssen – noch eine Schicht abschälen, noch weiter zurückgehen. Das muss ich, wenn ich will, dass er versteht. Es ist alles miteinander verbunden. Das, was am Samstag in den frühen Morgenstunden geschah, lässt sich nicht von dem trennen, was im Januar geschah. Was im Januar geschah, ist verbunden mit dem, was 2003 geschah. Wenn ich will, dass Sam mir hilft, muss ich bereit sein, ihm alles zu erzählen, so wie ich es auch Simon Waterhouse erzählt habe.
    »Cambridge«, sage ich. »Ich bin mir sicher, weil Bentley Grove 11 in Cambridge liegt.«

8
    17. 07. 2010
    Olivia Zailer blätterte ihren Terminkalender durch und gab beim Anblick jeder Seite ein lautes Stöhnen von sich. Sie hatte sich für die nächsten Wochen viel zu viele Termine aufgeladen, von denen sie die meisten irgendwann wieder absagen würde. Lunch mit Etta vom MUST-Magazin zur Besprechung einer Kolumne über berühmte Bücher und die Frage, welches Gericht diese Bücher wohl wären, in dem unwahrscheinlichen Fall, dass sie sich in Essen verwandeln würden – Sturmhöhe von Emily Bronte beispielsweise wäre ein Yorkshire Pudding, meinte jedenfalls Etta. Aerobic-Walking in Hampstead Heath mit Sabina, Olivias persönlicher Trainerin. Tee in der British Library mit Kurt Vogel, der sie als Jurorin für einen anglodeutschen Journalistenpreis gewinnen wollte, für den sich nur Teilnehmer im Alter zwischen elf und dreizehn Jahren bewerben konnten.
    War sie der einzige Mensch auf der Welt, der mit großem Enthusiasmus Pläne mit fast jedem schmiedete, mit dem sie in Kontakt kam, obwohl sie genau wusste, dass sie zur gegebenen Zeit doch per Mail absagen würde? Warum war es nur so schwer, gleich zu sagen: »Tut mir leid, Kurt, nein, ich werde nicht als Jurorin zur Verfügung stehen.«? Warum fühlte es sich so richtig an, auszurufen: »Würde ich wahnsinnig gerne!«, um dann später den »Ich kann leider nicht«-Teil nachzuschieben? Sie hätte die Frage gern Charlie gestellt, denn sie kannte sonst niemanden, der bereit gewesen wäre, mit ihr darüber zu diskutieren. Dom bestimmt nicht. Wahrscheinlich hatte es etwas mit dem Wunsch zu tun, anderen zu gefallen, aber noch mehr mit dem Wunsch, sich selbst etwas Gutes zu tun.
    Ihr Handy fiepte, und als sie danach griff, war sie fest entschlossen, keine Verabredung mit dem Anrufer zu treffen, wer immer es auch sein mochte. Nicht einmal dann, wenn es etwas war, das sie gern machen wollte und nicht absagen würde. Sie musste ihren Terminkalender von allen falschen Terminen reinigen, bevor sie irgendwelche neuen, echten Termine machte.
    »Ich bin’s. Chris Gibbs.«
    »Hallo, Chris Gibbs. Mein Gott, das beweist es! Ein Topf mit Wasser, den man beobachtet, kocht nie. Du bist nur du, weil ich erwartet hatte, dass du Kurt Vogel von der Dortmunder British-German Society bist. Immer, wenn ich erwartet hatte, dass du es bist, warst du es nicht – und jetzt bist du es.«
    »Hast du immer noch einen Schlüssel zu Charlies Wohnung?«
    »Warum, ist etwas passiert?« Olivia war sofort beunruhigt.
    »Nicht dass ich wüsste.«
    »Wozu brauchst du dann einen Schlüssel?«
    »Ich dachte, es wäre ein guter Ort, um sich zu treffen«, sagte Gibbs.
    »Du und ich?«
    »Nein, du, ich, Waterhouse und Charlie, wenn sie zurückkommen. Für das Hochzeits-Erinnerungs-Treffen.«
    Was zum Teufel sollte sie dazu sagen? »Wäre das nicht ein bisschen … peinlich?«
    Sie hörte ein Schnauben. »War ein Witz«, sagte Gibbs. »Ja, du und ich. Ich habe dich seit …« Es gab ein kurzes Schweigen, während er rechnete, »etwa vierundvierzig Stunden nicht mehr gesehen. Ich erwäge, das zu meinem neuen motivierenden Kummer zu machen.«
    »Du siehst mich normalerweise auch nicht alle vierundvierzig Stunden«, rief Olivia ihm in Erinnerung. »Du hast den Großteil deines Lebens damit zugebracht, mich nicht zu sehen, und es ging dir gut dabei.«
    Er hat einen Witz gemacht, einen richtigen Witz. Und er zitiert mich. Schon wieder.
    »Ansichtssache«, sagte Gibbs.
    Sie konnte

Weitere Kostenlose Bücher