Das fremde Haus
sage ich zittrig. »Es gibt keine Spur von Kit auf diesen Bildern, nichts, was ihn in Verbindung mit Selina Gane bringen würde. Gar nichts. Es ist noch nicht mal ein Haus, das ihm gefallen würde. Kit würde niemals ein solches Haus als seinen Heimatort bezeichnen – ein moderner, gesichtsloser Kasten umgeben von identischen Klonen, anderen modernen, gesichtslosen –«
»Werde erwachsen, Connie, sei so gut«, fährt Fran mich an. »Wenn er auf die Frau scharf ist, die in diesem Haus wohnt, werden ihm die fehlenden Dachgesimse und Stuckrosetten egal sein. Hast du vergessen, wie es ist, wenn man verliebt ist?« Sie grinst in sich hinein. »Ich schon, fast, aber nicht ganz. Eins kann ich dir sagen, wenn ich bis über beide Ohren in jemanden verliebt wäre, würde ich überall mit ihm hinziehen. Sogar in eine Ex-Sozialwohnung in Brixton oder irgendwo, wo es ähnlich trostlos ist – in eins dieser grässlichen Hochhäuser.« Sie rümpft abfällig die Nase.
Fast hätte ich gelacht. Die meisten Einwohner von Brixton würden es als großes Unglück betrachten, auch nur eine halbe Stunde in Little Holling zubringen zu müssen. In einem Viertel dieser Zeit hätten sie alles gesehen, was das Dorf zu bieten hat, und sie würden sich fragen, warum die Bewohner nicht aus diesem tödlichen stillen Grün flohen und sich mit hundert Meilen pro Stunde zur nächsten lärmenden Stadt aufmachten.
» Jeder hätte diese Adresse in Kits Navi einspeichern können«, erkläre ich Fran. »Jemand aus dem Laden, wie er schon sagte.« Glaube ich eigentlich selbst, was ich da sage, oder habe ich alles vergessen außer dem Wunsch, vor Fran als Gewinnerin dazustehen? Wenn sie sich für Kit starkmachte, würde ich darauf beharren, dass er ein Lügner und Betrüger sei? »Solange du nicht beweisen kannst, dass er mich angelogen hat –«
»Kann ich nicht«, unterbricht Fran mich. »Ich dachte, ich hätte etwas auf der Roundthehouses-Website gesehen, das ist alles. Vielleicht täusche ich mich ja, ich weiß es nicht. Mir fällt allerdings auf, dass du es nicht gerade eilig zu haben scheinst, herauszufinden, was es ist.«
»Ich verdränge es nicht, Fran. Ich bin nur wieder zu Verstand gekommen. Ich werde versuchen, meine Ehe zu retten, nachdem ich sechs Monate lang damit zugebracht habe, sie mit Anschuldigungen und Zweifeln zu zerstören.« Ich dränge die Tränen zurück. »Ich habe Kit gequält – und das ist keine Übertreibung, glaub mir. Ihn ständig ausgefragt, mich im Bett von ihm abgewandt … Er war so geduldig und verständnisvoll – jeder andere Mann hätte mich mittlerweile verlassen. Weißt du, was ich neulich getan habe? Als ich von der Arbeit kam, war er im Bad und hatte abgeschlossen. Er schließt nie die Tür ab. Ich habe ihn gezwungen aufzumachen. Anfangs hat er sich geweigert und behauptet, er wäre in der Badewanne, aber ich wusste, dass das nicht stimmte. Ich habe gehört, wie er herumlief. Ich bestand darauf, dass er die Tür aufmachte. Ich drohte ihm an, ihn zu verlassen, wenn er mich nicht sofort hereinließ. Ich dachte, er wäre im Bad, um mit ihr zu telefonieren – mit Selina Gane, obwohl ich ihren Namen da noch nicht kannte. Als er die Tür aufschloss und sie öffnete, erwartete ich, dass er schuldbewusst sein Handy umklammert hielt oder versuchte, es im Klo runterzuspülen oder irgend so etwas. Endlich, dachte ich – ich werde mir sein Handy schnappen und ihren Namen und ihre Telefonnummer herausfinden, und dann habe ich den Beweis. Ich hatte mir sein Handy bereits angesehen und nichts gefunden, aber ich dachte, diesmal vielleicht …« Ich halte inne. Es ist schwer, einen Gemütszustand zu beschreiben, der mir inzwischen so fremd vorkommt. Es ist, als würde ich das Verhalten einer anderen Frau schildern, einer Verrückten.
»Mein Herz hämmerte so heftig, dass ich dachte, es würde explodieren. Dann sah ich die Worte ›Happy Birthday‹ auf einer Rolle Geschenkpapier, die auf dem Boden lag, und eine Tragetasche von Chongololo. Eine Schere und Geschenkband …« Ich vergrabe das Gesicht in den Händen. »Der arme Kerl versuchte, mein Geburtstagsgeschenk einzupacken. Es war kein Handy in Sicht. Er wollte etwas Nettes für mich tun, und ich musste ihm alles kaputt machen. Mein Misstrauen hat alles versaut, wie es das immer tut. Ich wäre fuchsteufelswild, wenn jemand mir so etwas antun würde, aber Kit nicht. Er hat versucht, mich zu trösten – er beteuerte immer wieder, dass ich nichts kaputt gemacht habe,
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