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Das fremde Haus

Das fremde Haus

Titel: Das fremde Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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fünf Jahren zurückkommt, kommt es nicht wieder«, hatte Liv beteuert. »Sollte ich das Pech haben, wieder Krebs zu bekommen, wird es ein neuer sein, nicht die Rückkehr des alten.«
    Liv würde nicht anrufen, wenn es nichts Ernstes wäre. Nicht, nachdem Charlie detailliert beschrieben hatte, was sie dem antun würde, der dumm genug war, sie und Simon beim Flittern zu stören. Verrat niemandem, wo wir sind – niemandem. Es sei denn, es geht um Leben oder Tod. Oder jemand hat beschlossen, uns eine größere Geldsumme zukommen zu lassen.
    Leben oder Tod. Hatte sie es heraufbeschworen, indem sie diese Worte verwendet hatte?
    Irgendwie schaffte sie es bis in Domingos Holzhütte. Er musste die Nummer für sie eingeben und ihr das Telefon in die Hand drücken. Er berührte sie kurz an der Schulter, bevor er sie allein ließ und die Tür hinter sich schloss. Für ihn bestand kein Zweifel daran, dass sie eine Hiobsbotschaft erhalten würde, für Charlie ebenfalls nicht.
    »Liv? Bist du das?« Alles, was sie hörte, war Schluchzen.
    »Char?«
    »Beruhige dich. Sag mir, was los ist.«
    »Ich glaube, ich habe mein Leben zerstört.«
    »Was ist los? Was ist passiert?«
    »Ich werde Dom verlassen müssen. Ich habe mit jemand anderem geschlafen. Mehr als einmal. Bitte sei nicht böse, dass ich angerufen habe. Ich musste einfach mit dir reden – ich habe das Gefühl, ich verliere noch den Verstand. Glaubst du, ich werde verrückt?«
    Charlie rieb sich die geschwollenen Augen und sank auf den nächstbesten Stuhl– ein rundes Korb-Dingsbums, das aussah wie ein großer Picknickkorb auf Beinen, der mit einem blaurot karierten Wollüberwurf bedeckt war. Sie wartete, bis ihr rasender Herzschlag die Informationen vom Gehirn verarbeitet hatte. Panische Angst hielt sie immer noch in den Klauen – ein Ungeheuer, das bezwungen werden wollte. Ein Ungeheuer, das du selbst erschaffen hast, aus dem Nichts. Völlig unnötigerweise . Galt das auch für Simons Spaziergang? Er hatte sein Bestes getan, sie zu überzeugen, dass er gern mit ihr zusammen war. »Aber ich bin es einfach nicht gewöhnt, nie allein zu sein«, hatte er gesagt. »Ich brauche nur eine halbe Stunde, vielleicht eine Stunde – dann bin ich wieder da.« War das wirklich so schlimm? »Du wirst mir wahrscheinlich sogar fehlen, während ich weg bin«, hatte er widerstrebend hinzugefügt, mit gesenktem Blick, als wäre ihm dieses Eingeständnis unter Zwang abgepresst worden.
    »Also, es läuft folgendermaßen«, sagte Charlie, als sie sich wieder so weit gefasst hatte, dass sie sprechen konnte. »Du hast fünf Minuten – aber nur, weil ich so erleichtert bin. Ich dachte schon, du würdest mir mitteilen, dass unsere Eltern auf dem Golfplatz tot umgefallen sind.« Ich dachte, du würdest sterben. Ich dachte, mit meiner Ehe wäre es vorbei.
    »Du hast Dom ja nie gemocht. Da musst du doch doppelt erleichtert sein.«
    »Willst du wirklich deine fünf Minuten auf einen Streit verschwenden?«
    Schweigen.
    »Wie sind die Flitterwochen?«, fragte Liv schließlich.
    »Gut, jedenfalls bis zu deinem Anruf. Na ja, ganz gut.«
    »Warum nur ganz gut?«
    Charlie senkte die Stimme. »Wir hatten insgesamt ein einziges Mal Sex.«
    »Ist das so schlimm? Wir haben doch erst Montag.«
    Charlie hatte sich eingehend mit dieser Frage beschäftigt. Wenn heute Nacht wieder was lief, wäre es nicht so schlimm. Wenn nicht, wären das zwei Nächte hintereinander ohne Sex – wie konnte das etwas anderes sein als eine Katastrophe? Wenn Simon nachher, wenn sie ins Bett gingen, keine Annäherungsversuche machte, würde sie dann wieder eine tapfere Miene aufsetzen können, wie gestern, als er ihr den Rücken zukehrte und innerhalb von Sekunden eingeschlafen war? Charlie bezweifelte es. War sie deshalb so nervös, so bereit, das Schlimmste anzunehmen? Auf dem heutigen Tag lastete mehr Druck, als ein normaler Montag zu tragen haben sollte.
    »Es ist, als würde er denken, dass wir es nicht tun dürfen«, sagte sie tränenerstickt. »Er … meidet mich danach, als hätten wir etwas Schändliches getrieben. Er liegt direkt neben mir, aber er meidet mich.« Charlie seufzte. »Es ist schwer zu erklären.«
    »Simon ist in allen Lebensbereichen sonderbar, nicht nur beim Sex«, kommentierte Liv, als würde das die Sache irgendwie besser machen. Sie klang sehr viel weniger aufgelöst als noch vor einer Minute. Charlie würde ihrer Schwester durchaus zutrauen, ein zerstörtes Leben vorzutäuschen, obwohl sie eigentlich

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