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Das Fremde Mädchen

Das Fremde Mädchen

Titel: Das Fremde Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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werden. Die Wahrheit muß ans Licht kommen, wie sie in Farewell bereits herausgekommen ist. Haluin und Bertrade haben sich dort getroffen und schließen nun miteinander Frieden. Ihre Tochter Helisende ist bei ihnen, und die Wahrheit ist bereits aus ihrem Grab gestiegen.«
    Sie wußte, sie hatte seit dem Tod der alten Frau gewußt, daß es letzten Endes dazu kommen mußte, und wenn sie ihre Augen abgewendet und sich geweigert hatte, es einzusehen, nun gab es keinen Ausweg mehr. Auch war sie nicht die Frau, die eine schwere Aufgabe an andere delegierte, sobald sie sich einmal entschlossen hatte. Im Guten wie im Schlechten machte sie keine halben Sachen.
    Er wollte sie nicht weiter drängen, sondern zog sich zurück, um ihr Zeit und Raum zu lassen. Etwas abseits stand er, beobachtete die gefaßte, schweigende Frau und überlegte bei sich, welchen Tribut achtzehn Jahre des Schweigens gefordert hatten, achtzehn Jahre voller Haß und Liebe. Die ersten Worte, die er hier von ihr gehört hatte, trotz ihrer extremen Situation, die ersten Worte, die er überhaupt von ihr gehört hatte, hatten Haluin gegolten: »Was hat man Euch angetan?«
    Adelais stand abrupt auf und ging mit langen, festen Schritten zum Fenster. Sie klappte die Läden zur Seite und ließ frische Luft und Licht und die Kälte herein. Eine Weile stand sie da und blickte zum stillen Hof hinaus. Der bleiche Himmel war mit kleinen Wolken gesprenkelt, ein grüner Schleier lag über den Ästen der Bäume außerhalb des Zaunes. Als sie sich wieder zu ihm umwandte, sah er ihr Gesicht im vollen, klaren Tageslicht, und er sah zugleich ihre unvergängliche Schönheit und den Staub, den die Zeit darübergelegt hatte. Die einst straffen Stränge in ihrem langen Hals waren erschlafft, graue Flecken wie von Asche waren in ihrem schwarzen Haar zu sehen, um Mund und Augen hatten sich Falten gebildet, und ein Netz dünner Äderchen zog sich über die einst makellosen und elfenbeinglatten Wangen. Sie war stark, sie würde nicht ohne weiteres die Verbindung zur Welt aufgeben und sie einfach verlassen. Sie würde lange leben und gegen den erbarmungslosen Angriff des Alters wüten, bis der Tod sie geschlagen und überwältigt hätte. Adelais' Wesen selbst sorgte für die Buße.
    »Nein!« sagte sie plötzlich mit großer Autorität, als hätte er einen Vorschlag gemacht, den sie um keinen Preis annehmen konnte. »Nein, ich will keinen Fürsprecher. Niemand soll mir etwas abnehmen, das ich selbst sagen muß. Was erzählt werden muß, will ich selbst erzählen. Kein anderer soll es tun!
    Ob es je gesagt worden wäre, wenn Ihr nicht in meine Nähe gekommen wärt – Ihr mit Eurer Hand an Haluins Ellbogen, mit Euren nachdenklichen Augen, die nichts verrieten –, ich weiß es nicht. Wißt Ihr es? Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr.
    Was noch zu tun ist, will ich selbst tun.«
    »Befehlt mir zu gehen«, bot Cadfael an, »und ich gehe. Ihr braucht mich nicht mehr.«
    »Nicht als Fürsprecher, nein. Aber als Zeugen vielleicht!
    Warum solltet Ihr um das Ende betrogen werden? Ja!« sagte sie mit funkelnden Augen. »Ihr sollt mit mir reiten und sehen, wie alles endet. Ich schulde Euch diesen Ausgang, wie ich Gott den Tod schulde.«
    Er ritt mit ihr, wie sie es gewünscht hatte. Warum nicht? Er mußte nach Farewell zurückkehren, und der Weg über Vivers war so gut wie jeder andere. Sobald sie sich entschlossen hatte, gab es kein Zögern und kein Zaudern mehr.
    Sie ritt und gab dem Pferd die Sporen wie ein Mann, nachdem sie in den letzten Jahren anmutig im Damensitz hinter einem Burschen gesessen hatte, wie es sich für eine Dame ihres Alters und Standes geziemte. Sie ritt mit dem königlichen Selbstbewußtsein eines Mannes, aufrecht und leicht im Sattel sitzend, den Zügel entspannt mit einer Hand haltend. Und sie ritt schnell und gleichmäßig und näherte sich ihrer Niederlage so entschlossen wie ihrem Sieg.
    Cadfael, der neben ihr ritt, fragte sich, ob sie immer noch in Versuchung war, einen Teil der Wahrheit zurückzuhalten, um sich wenigstens teilweise zu schützen. Aber die gespannte Ruhe ihres Gesichts sprach dagegen. Es würde keine Ausflüchte, keine Abmilderungen, keine Entschuldigungen geben. Sie hatte getan, was sie getan hatte, und sie würde es mit der gleichen Entschlossenheit berichten. Ob sie es bereute, würde nur Gott erfahren.

13. Kapitel
    Sie erreichten Vivers eine Stunde nach Mittag. Das Tor stand offen, und die Unruhe drinnen hatte nachgelassen. Mehr als das

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