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Das Fremde Mädchen

Das Fremde Mädchen

Titel: Das Fremde Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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gefaßt und verschlossen, nichts gab sie zu, nichts leugnete sie. Nur die brennenden dunklen Augen in den tiefen Höhlen sprachen zu ihm, doch in einer Sprache, die er nicht ganz verstand.
    »Ihr wißt genau, was Ihr vor so vielen Jahren getan habt«, begann Cadfael. »Ihr habt Haluin mit einer schrecklichen Strafe belegt, weil er es wagte, Eure Tochter zu lieben und sie zu schwängern. Ihr habt ihn bis ins Kloster verfolgt, in das ihn Eure Feindschaft getrieben hatte – junge Menschen verzweifeln rasch. Ihr habt ihn gezwungen, Euch das Mittel zur Abtreibung zu beschaffen, und danach habt Ihr ihn wissen lassen, Mutter und Kind seien gestorben. Es war eine schreckliche Schuld, die Ihr ihm damals auferlegt habt, und sie hat ihn sein Leben lang gequält. Wollt Ihr nun sprechen?«
    »Nein«, sagte sie. »Fahrt fort! Ihr habt ja erst begonnen.«
    »Richtig, ich habe gerade erst begonnen. Dieser Trank aus Ysop und Schwertlilien, den er Euch gab – er wurde nie benutzt. Der Trank sollte nur ihn selbst vergiften, er sollte nie jemand anders schaden. Was habt Ihr damit gemacht? Habt Ihr in einfach ausgeschüttet? Nein, lange bevor Ihr überhaupt die Kräuter von ihm verlangt habt, ich würde sogar sagen, sofort nachdem Ihr ihn aus Eurem Haus vertrieben hattet, mußte Bertrade auf Euer Geheiß nach Elford gehen und Edric Vivers heiraten. So geschah es, und gewiß noch rechtzeitig, um ihn als Vater gelten zu lassen. Glaubwürdig, aber unwahrscheinlich. Zweifellos war der alte Mann stolz auf sich, da er sich immer noch stark genug glaubte, ein Kind zu zeugen.
    Warum sollte jemand das Geburtsdatum in Frage stellen, da Ihr doch rasch gehandelt hattet?«
    Sie hatte sich nicht bewegt, sie war nicht zusammengezuckt, und ihre Augen ruhten auf seinem Gesicht. Sie gab nichts zu und stritt nichts ab.
    »Hattet Ihr eigentlich keine Angst«, fragte er, »irgend jemand könnte in Hörweite unseres Klosters verlauten lassen, daß Bertrade de Clary mit Edric Vivers verheiratet war und keineswegs im Grab lag? Daß sie ihrem alten Mann eine Tochter geschenkt hatte? Es hätte nur einen Reisenden mit einer geschwätzigen Zunge gebraucht.«
    »Diese Gefahr bestand nicht«, erklärte sie einfach. »Welche Kontakte gab es schon zwischen Shrewsbury und Hales?
    Keine, bis Haluin vom Dach stürzte und seine Pilgerreise begann. Nein, es war nicht zu erwarten, daß jemand aus einer anderen Grafschaft hier zu tun hatte. Es bestand keine Gefahr.«
    »Nun, dann laßt uns fortfahren. Sie lebte also, und Ihr habt sie einem alten Mann gegeben. Das Kind wurde lebend geboren. Diese Gnade habt Ihr dem Mädchen erwiesen – aber warum nicht auch ihm? Warum dieser bittere, andauernde Haß, daß Ihr auf so schreckliche Weise Rache nehmen mußtet?
    Doch nicht, weil Eurer Tochter ein Unrecht angetan worden war, nein! Warum wurde Haluin nicht als passender Mann für sie angenommen? Er stammte aus einer guten Familie, er hätte ein schönes Anwesen erben können, hätte er nicht die Kutte vorgezogen. Was hattet Ihr nur gegen ihn? Ihr wart eine schöne Frau, gewöhnt an Bewunderung und Verehrung. Euer Herr war in Palästina. Und ich weiß noch, wie Haluin zu mir kam, achtzehn Jahre alt und ohne Tonsur. Ich sah ihn, wie Ihr ihn gesehen habt, als Ihr einige Jahre im erzwungenen Zölibat leben mußtet – er war sehr anziehend...«
    Er sprach nicht weiter, denn ihre langen, festen Lippen hatten sich geöffnet, um ihm endlich doch zuzustimmen. Sie hatte unbeeindruckt zugehört, hatte keinen Versuch gemacht, ihn zu unterbrechen, hatte keine Einwände erhoben. Jetzt antwortete sie.
    »Viel zu anziehend!« sagte sie. »Ich war es nicht gewöhnt, verschmäht zu werden, aber ich war ohnmächtig und konnte nichts tun. Er war viel zu unschuldig, um mich zu verstehen.
    Wie solche Kinder manchmal ohne Absicht verletzen können!
    Wenn ich ihn also nicht haben konnte«, sagte sie grimmig, »dann sollte sie ihn auch nicht bekommen. Keine Frau sollte ihn haben, und vor allem nicht sie.«
    Es war heraus, sie ließ es stehen, wie es war, fügte nichts hinzu, um es abzumildern, und nachdem sie es gesagt hatte, dachte sie darüber nach und erinnerte sich an ihre Gefühle, als wären es die einer anderen Frau, denn sie empfand nicht mehr die alte Intensität, die Sehnsucht und den Zorn.
    »Es gibt noch mehr zu erzählen«, sagte Cadfael, »viel mehr.
    Da ist zum Beispiel Eure Zofe Edgytha. Edgytha war Eure einzige Vertraute, die einzige, die die Wahrheit wußte. Sie wurde mit Bertrade nach

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