Das Fremde Meer: Roman (German Edition)
Dass ich nur noch nicht weiß, wie.
Stattdessen sage ich: »Ich wollte Danke sagen. Für alles.«
Und weil es mir nicht ganz richtig erscheint, weil ich etwas nicht bloß wollen, sondern es tatsächlich tun möchte, setze ich nach: »Ich sage Danke. Für alles.«
Wir schauen hinaus auf den Parkplatz, in die Luft, und sie ist durchsetzt von Wasser.
Am Nachmittag hat es endlich aufgehört zu regnen, und ich fahre in die Stadt. Ich gehe in ein Kaufhaus, in dem ich sicher sein kann, von keinem Verkäufer angesprochen zu werden. Dort kaufe ich zehn rote Hefte. Das Papier der Seiten ist dick und leicht gelblich.
Diese Hefte sollen vorerst mein Geheimnis sein, genau wie der Raum, den ich mir schaffe, zwischen zwei und vier Uhr nachts, wenn mich der Schlaf wieder ausgespuckt hat.
Ich setze mich an meinen Schreibtisch und schaue hinaus auf die Straße, die um diese Uhrzeit verlassen ist. Meine Schreibtischlampe wirft einen eher schwachen Kegel Licht, aber es reicht aus, um schreiben zu können. Manche Geschichten, das glaube ich, kann man nur im Dunklen erzählen. Sie vertragen keine Sonne, und sie lassen sich auch nicht gleich sprechen. Man muss sie behutsam fangen, in kleinen schwarzen Buchstaben.
Und in diesen ersten Nächten ist es noch zu früh, um von dem verfallenden Haus zu schreiben, noch zu früh, um von deinem Sturz und den blauen Turnschuhen zu schreiben. Es ist zu früh für Effie und für deinen Vater und für die Spinnen, und es ist zu früh für dein Fahrrad.
Zunächst erzähle ich von dem Ort, an den du dich zurückgezogen hast, einem Ort, über den ich im Grunde nichts weiß. Statt einen Fuß vor den anderen werde ich ein Wort vor das nächste setzen, mir meinen Weg durch die stillen Nächte sprechen.
Bald werde ich aufhören zu schweigen.
Bald werde ich ein Netz spinnen.
Ich werde dir ein Schiff schicken und einen Ritter, ich werde dir hundert Briefe schreiben und dich in einem Raum hinter den Spiegeln hören, gleich, wie leise du sprichst, ich werde etwas in Bewegung setzen, ich werde dich in Bewegung setzen, ich werde tief tauchen und hoch aufsteigen, ich werde dich finden und zurückholen, du wirst sehen: Ich werde durch das Fremde Meer kommen.
Und wenn ich dich gefunden habe, wirst du die Augen öffnen.
Marie, wirst du sagen.
Jan, werde ich sagen.
Ich werde deine Hand nehmen, du wirst aufstehen, und dann, dann werden wir gehen.
Die Autorin dankt:
Kristina Danneberg, Julia Eichhorn, Konrad Feldschmid, Annika Scheffel. David Frühauf.
Der Stiftung Künstlerdorf Schöppingen.
Dr. Sylvia Mieszkowski für die Hysterie.
Dr. Birgit Spengler für die Geisterphotographie.
Der Berlin Verlag dankt für die freundliche Genehmigung zur Verwendung der Abbildungen
1. Bereitgestellt von bpk, Bildagentur für Kunst, Kultur und Geschichte.
2. Bereitgestellt von Bridgeman Art Library, Bridgeman Berlin.
3. Dieses Bild erschien erstmals im Juli 1930 in der Zeitschrift »Popular Science Monthly«.
4. Der Rechteinhaber dieses Bildes konnte trotz aller Bemühungen nicht ausfindig gemacht werden.
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