Das fünfte Buch: Neue Lebensläufe. 402 Geschichten (German Edition)
gespeicherten Datenmassen in der Brüsseler Zentrale ein aktives, verborgenes Leben. Die Idee des Flankenvorstoßes aus der Region des Nordpolarmeers (wie von einem fremden Himmelskörper) führte politgenetisch zu Richard Perles Planung des SDI -Projekts, eines Angriffs auf jeden Punkt der Erde mit Hilfe lasergesteuerter Projektile aus dem Orbit.
Während des Gesprächs hatte die Maschine die Westküste Grönlands erreicht, und nach beiden Seiten, Süden und Norden also, war dunkles Wasser zu sehen, von kleinen Eisblöcken wie von miniaturisierten Segelschiffen belebt. Eine Dunstwand im Westen, auf welche die Maschine zuflog. Nicht besonders eindrucksvoll, sagte der Kanzler. Ihm war das Bild, auch beengt durch den Fensterrahmen, nicht einheitlich genug, jedenfalls schien ihm dieser Teil der Erdoberfläche unbrauchbar, sowohl in militärischer als auch in seemännischer und in industrieller Hinsicht. Zu kalt, zu wässerig. Auch drängte es ihn zu den anderen Begleitern dieses Fluges, zu denen er sich jeweils auf eine halbe Stunde zu einem Gespräch setzte. Bis Ottawa wollte er mit allen gesprochen haben.
Der Rüstungsminister versäumt den Abflug nach Nordgrönland
Ende April 1945 war das 17. Transportgeschwader, das über viermotorige Langstreckenmaschinen verfügte, auf seinen Flugplätzen am Nordpolarkreis noch ziemlich intakt. Sollte man nicht, so die Vorschläge, die der Führung eingereicht wurden, wenn doch das Reich verlorenging, die Besten der Besten zuletzt in Sicherheit bringen?
Die Verbindungsoffiziere vom Reichsminister für Rüstung und Bewaffnung in der Marineschule Mürwik redeten auf Albert Speer ein: Die viermotorige Dornier-Maschine sollte ihn zunächst bis Oslo fliegen. Dann wollte man ihn in einer der Langstreckenmaschinen, ebenfalls viermotorig, zu einer von den Alliierten bisher nicht entdeckten Wetterstation auf Nordgrönland bringen. Hier sollte der Minister bis zum Jahre 1952 überwintern. Man könne ihn dann mit einem geeigneten Transportmittel zurückführen und als Kanzler eines erneuerten deutschen Reiches installieren. Der Minister prüfte den Gedanken intensiv. Noch glaubte die Reichsregierung, daß man sie für den Wiederaufbau brauchen werde.
Es kam darauf an, den Rüstungsminister zunächst bis zum Flughafen Oslo zu bringen. Dort galt es, den Umsteigeprozeß zu organisieren. Sollte versucht werden, mit der viermotorigen Fernmaschine in der Nähe der Wetterstation auf einer Eisfläche zu landen? Oder war es besser, wenn der Minister mit dem Fallschirm absprang? Funkkontakt mit der unentdeckten Station war untersagt.
Der Minister konnte sich den Vormittag über nicht entschließen. Zwischen den von der Regierung Übriggebliebenen bestand eine starke Adhäsion. Nach allem, was sie erlebt hatten, versuchten sie zusammenzubleiben.
Das Jahr der Rückkehr ins Vaterland 1952, nur um sieben Jahre, also etwas mehr als die Halbzeit des Drittes Reiches, von der Gegenwart entfernt, konnte er sich in dem für Ausbildungszwecke und nicht für Regierungsaufgaben gebauten Kasernengelände in Mürwik nicht vorstellen. Es gibt keine Rückkehr, sagte er zu seinem persönlichen Referenten, zu »normalen Verhältnissen«. Wir haben zuviel erlebt. Die Macht des Gesehenen belastet die Entschlußkraft.
Beuys auf der Krim
Während der hoffnungslosen Rückzugskämpfe der deutschen Truppen auf der Krim im Frühjahr 1944 verunglückte ein Sturzkampfflugzeug Ju 87 bei Freifeld im nördlichen Teil der Halbinsel. Diese Flugzeuge waren gewöhnlich mit zwei Mann besetzt. Der Flugzeugführer, zerschlagen und verstümmelt, war nach dem Aufschlag tot. Joseph Beuys, der zweite Mann, unter dem Flugzeugheck in Trümmerteilen eingeklemmt, lag bewußtlos mit Schädelverletzung und Knochenbrüchen. Tataren, die das Wrack plünderten, sollen ihn gerettet haben. Sie hätten ihn, heißt es, mit Filzmatten gewärmt; nach anderen Berichten sei er in Zelten aus Filz untergebracht worden, an deren Geruch er sich später erinnerte. Auch hätten die Nomaden seine Wunden mit Fett eingerieben. Eine schamanistische Einwirkung während dieses Zustands auf Leben und Tod, den Beuys später beschrieben hat, sei, das behaupten Anhänger von Beuys, nicht ausgeschlossen. Die »Eingeborenen« haben den Verwundeten später in einem deutschen Lazarett abgegeben.
Die legendären Arbeiten von Beuys mit Fett und Filz legten solche Erzählungen nahe. Rechercheure, welche diese Angaben in Wehrmachtsarchiven überprüften, bezweifeln hingegen
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