Das fünfte Buch: Neue Lebensläufe. 402 Geschichten (German Edition)
Leiche, einen Zahn. Dessen DNA war unbekannt. Wir ermittelten im Ausschlußverfahren, daß dieser Leichenrest zum Attentäter gehören müsse. Das Teil konnte zu keinem anderen Toten gehören, von denen 200 zu beklagen waren.
Der Ministerpräsident hatte in einer Limousine gesessen, deren Panzerung dem enormen Explosionsdruck standhielt. Äußerlich stand das Fahrzeug wie unbeschädigt da. Die Energie der Explosion war in das Fahrzeug gefahren und hatte es momentan auf eine Temperatur von fast 2000 °Celsius erhitzt. Aufrecht saß der Ministerpräsident in seinem Fahrzeug, verbrannt.
Hariris Schutz war damals schon etwas heruntergefahren worden. Es hätte aber auch keine absolute Sicherheit für ihn gegeben, wäre der Schutz verstärkt worden. Der Politiker hätte dem Ende nur entkommen können, wenn er dem Willen seiner Gegner in jedem Punkt entsprochen hätte, und auch dann wäre sein Überleben nicht garantiert gewesen, weil nie festgestanden hätte, wer von den Gegnern ihn umbringen würde, er sozusagen einen der Teufel hätte vergessen und so die Vernichtung doch auf sich ziehen können, auch wenn er alle übrigen durch Zugeständnisse ruhiggestellt hätte.
Die Untersuchung des Mordanschlags leitete im Auftrag des Sicherheitsrates (und mit dem Rang eines Undersecretary der UN -Verwaltung) der Oberstaatsanwalt Detlev Mehlis. Er verfügte über ein libanesisches, ein französisches, ein schwedisches, ein britisches, ein deutsches und ein japanisches Ermittlungsteam. Tatort war eine Strandstraße von Beirut. Das britische Team, zu dem Taucher gehörten, fand am Meeresgrund den Motorblock des Tatfahrzeugs. Die Japaner ermittelten, daß ein Fahrzeug mit dieser Motornummer Wochen vor dem Anschlag in Tokio gestohlen worden war. Es wurde mit Frachtschiff in die Vereinigten Arabischen Emirate transportiert und nahm im Libanon den Sprengstoff auf. Das Verbindungsnetz des Verbrechens erwies sich tatsächlich als global.
Die Stelle zwischen zwei Institutionen, an der die Schuld ungenau wird
Das Operationsteam im Berner Inselspital, spezialisiert auf Herzoperationen, bestand aus zwei Anästhesisten, drei Chirurgen, einem Kardiotechniker und einer Operationsschwester. Der Kardiotechniker war ein Externer, für eine Woche ausgeliehen von seiner Heimatklinik in Zürich. Ein Personalengpaß war zu überbrücken.
Der Fehler entstand bei dem Aufbau der Herz-Lungen-Maschine in den Vormittagsstunden. Der Kardiotechniker hatte einen Schlauch so montiert, wie er es in seiner Heimatklinik gewohnt war; das Verfahren entsprach auch der Praxis in den meisten anderen Kliniken. Hier, im modernen Inselspital, war die Apparatur jedoch vor kurzer Zeit verbessert worden. So war es der falsche Schlauch, den er justierte. Während der Operation wurde für zehn bis zwanzig Sekunden Luft in die Hauptschlagader des 58jährigen Herzpatienten gepumpt.
Rasch war der Schaden behoben. Die Operation wurde vom verschreckten Team fortgesetzt. Man hoffte sehr, daß kein Unheil geschehen sei, und gewöhnte sich noch während der Operation an den Gedanken, den Patienten bald versorgt auf seinem Lager in der Intensivstation zu sehen. Die Haut schien gut durchblutet.
Nach sechs Stunden ergab die Tomographie, daß die Hoffnung, es sei nichts Schlimmes geschehen, auf Illusion beruhte. Ungenügende Durchblutung großer Teile des Gehirns des Patienten, der noch immer an die Geräte der Intensivstation angeschlossen war. Die Bereitschaften der Klinik wurden alarmiert. Die Verletzungen bewirkten den Hirntod.
Der Direktionspräsident Urs Dischler nahm das Gespräch mit den Angehörigen auf. Er konferierte mit der zuständigen Untersuchungsrichterin. Ganz klar, daß der Unfall »in völliger Transparenz der Öffentlichkeit mitzuteilen sei«. In einer angesehenen Klinik kann es keine Vertuschung geben, wenngleich nicht sicher war, ob der Patient an dem Kunstfehler gestorben oder durch eine in ihm vorgefundene seltene Disposition seines Kreislaufs nicht auf andere Weise ums Leben gekommen war. Hierauf sich zu berufen wäre aber in der Öffentlichkeit als Ausrede aufgefaßt worden.
Der Kardiotechniker, dessen Laufbahn ruiniert war, so stellte es sein Anwalt dar, war seiner »bewährten Gewohnheit« gefolgt. Handgriffe, die er, wie alle Experten seines Schlags, kannte (und die in jeder anderen Klinik ein korrektes Ergebnis erbracht hätten), wirkten sich in der moderneren Klinik verhängnisvoll aus, ohne daß der Mann, der früh zu seinem Dienst erschienen war, in
Weitere Kostenlose Bücher