Das Fünfte Geheimnis
warfen, und durch ihre mit Flüssigkeit gefüllten Lungen keuchte und pfiff ihr Atem. Madrone suchte sich wahllos einen aus und legte ihre Hand auf seine Stirn. Er fieberte und phantasierte im Schlaf. Göttin, es gab so viele von ihnen, wie sollte sie sie alle heilen? Und außerdem mußte dieser Raum dringend saubergemacht werden. Durch den Staub fing sie bereits selbst an zu husten. Sie würde dies mit Rhea besprechen müssen. Sie brauchten eine bessere Organisation, mehr grundsätzliche Krankenpflege. Aber jetzt mußte sie sich konzentrieren.
Sie verlangsamte ihren Atem, suchte die Aura ihres Patienten. Nun, es gab genug zu sehen und keine Schwierigkeit, Gründe für seinen Zustand zu finden. Sie bewegte sich durch Wolken von fliegenden Löwenzahnsamen, bemüht, sie nicht einzuatmen. Aber dies war nichts Ungewöhnliches, lediglich die Handschrift eines gewöhnlichen Erkältungsvirus in der Ch'i-Welt. Stinkende Schwärme von Bakterien bildeten eine Lache in den feuchten Spalten seiner Lunge. Konnte das wirklich alles sein? Eine gewöhnliche Grippe tobte sich mit einer Lungenentzündung aus?
Sie veränderte ihre Wahrnehmung, suchte nach dem roten Glühen des Blutstroms. Da war er. Sie tauchte hinein, erlaubte ihrem Bewußtsein hinunter zu den Arterien zu schwimmen, schmeckte das Eisen und den Rost des Hämoglobins. Aber wo waren die weißen Blutkörperchen? Göttin, dies wäre so viel einfacher, wenn ein Labor und ein Mikroskop vorhanden wären. Sie haßte es, nur auf die Fähigkeiten ihrer eigenen, hellsichtigen Vision angewiesen zu sein. Aber nur deshalb war sie gekommen, sagte sie sich und fuhr fort, jetzt nach dem Lymphsystem zu suchen.Sie wanderte durch ein ausgetrocknetes Flußbett, verunreinigt durch Steine. Sie tauchte ihre Hand in den weichen Sand auf dem Grund. Ja, es gab noch etwas Feuchtigkeit tief unter der Oberfläche, aber sie konnte nicht sagen, ob sie jemals wieder ansteigen würde.
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»Es gibt gute und schlechte Nachrichten«, erklärte Madrone Isis und Rhea während des Abendessens. Rhea hatte einen Bohneneintopf gekocht, und Madrone stippte voller Hunger große Stücke Brot in die Sauce. Sie fühlte sich ausgelaugt, aber gleichzeitig glücklich. Als Heilerin zu arbeiten, war sehr erschöpfend, fordernd, aber dazu war sie geboren, und sie war glücklich, wieder arbeiten zu können. »Wir scheinen es nicht mit irgendetwas Furchtbarem zu tun zu haben, und das ist gut. Überwiegend gewöhnliche Erkältungen, Grippe, einige Parasiten im Verdauungstrakt. Aber das Problem ist dabei, daß bei all diesen Jungs das Immunsystem nicht funktioniert. Ich weiß nicht genau, wie die Booster wirken, aber es scheint, als würden sie eine Abhängigkeit hervorrufen. Werden sie dann vorenthalten, hat das Immunsystem seine Fähigkeit verloren, sich selbst wieder zu stimulieren. Vielleicht kommt es später wieder, vielleicht aber auch nicht.«
»Was können wir tun?« fragte Rhea. »Stiehl uns eine Schiffsladung Antivirus-Tabletten!« sagte Madrone zu Isis.
Isis schüttelte ihren Kopf. »Sie lagern sie nicht mehr hier oben. Nur Booster, diese Immun-Verstärker. Vielleicht können die Hillboys weiter südlich welche bekommen, aber das Problem beim Transport großer Mengen... du wirst es selbst sehen können, wenn du dorthin gehst.«
Madrone rutschte unruhig hin und her. Jeder hier schien zu erwarten, daß sie, nachdem sie die Situation hier unter Kontrolle gebracht hatte, weiter nach Süden gehen würde, um dort die Gruppen in den Bergen zu treffen. Soll ich? fragte sie sich. Hier ist es einigermaßen sicher, aber weiter unten? Ich möchte nicht gehen, aber hierher wollte ich auch nicht kommen und werde doch dringend gebraucht. Habe ich das Recht, weiteren Anstrengungen auszuweichen?
Aber diese Frage stand im Moment nicht zur Diskussion. Jetzt mußte sie sich mit der hiesigen Situation beschäftigen. »Seht mal, dies möchte ich gern ausprobieren«, sagte sie.
»Zunächst möchte ich alle neuen Deserteure, die noch nicht erkrankt sind, für ein bis zwei Wochen von den anderen isolieren. Haltet sie fern von den anderen, von den Krankenzimmern. Ich zeige euch, wie man Masken herstellt, die vor den Bakterien schützen. Und es gibt einige Fragen zu beantworten in Bezug auf Hygienemaßnahmen. Dann kann ich mir ihr Immunsystem anschauen und vielleicht gibt es eine Möglichkeit, dies wieder anzukurbeln oder es auf natürliche Weise wieder zu beleben, wenn wir die Zeit dazu haben.
Als nächstes möchte ich
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