Das Fünfte Geheimnis
behandelt werden müssen und beim Schlachten so wenig wie möglich leiden dürfen. Wir feiern Rituale, um ihre Seelen zu ehren. In meinem Haushalt gibt es Hühner für die Eier, und wir essen die Hühner, wenn sie alt werden. Wir halten Fische in Wasserbecken als Nahrung und wegen der Nährsubstanz in ihrem Abfall, und die Hitze des Wassers hält unsere Gewächshäuser warm. Wir hatten Ziegen, und auf dem Land halten sie ein oder zwei Kühe.«
»Und was glaubst du persönlich?«
»Daß es einen qualitativen Unterschied zwischen deinem Verstand und dem eines Huhnes gibt.«
»Vielleicht. Aber auch die gezüchteten Läufer werden von Jahr zu Jahr dümmer. Und es gibt neue Drogen für sie. Wirklich, Intelligenz ist bei ihnen nur im Wege. Sie bekommen zu viele, die sind wie wir, die es nicht mehr aushalten und abhauen. Die einen Gegenangriff starten.«
»Nun, da siehst du es«, sagte Madrone. »Ein revolutionäres Huhn ist mir noch nicht begegnet.«
»Ich esse, was ich gerade kriegen kann«, sagte Isis. »Ich habe oft keine Wahl, wenn du verstehst. Aber wenn ich wählen kann, esse ich niemals etwas, das in Gefangenschaft gezüchtet oder aufgezogen wurde.«
»Wenn du jemals in den Norden kommst«, sagte Madrone, »wärst du in guter Gesellschaft.«
Es gab eine lange Pause. Isis' Augen schienen sich in Madrones zu bohren, und sie konnte ihrem Blick weder ruhig begegnen noch wegschauen.
»Also, wenn du wirklich eine Heilerin bist«, sagte Isis langsam, »dann hol' mich von den Drogen runter.«
»Ich weiß nicht wie«, sagte Madrone.
»Versuch' es wenigstens.«
»Natürlich werde ich es versuchen. Darum bin ich doch hier.«
»Versuche es jetzt.«
Es gab etwas Zermürbendes in Isis' Augen, etwas Unerbittliches. Wenn es nicht gelingt, fragte Madrone sich, gehe ich dann über Bord? Ist dies ein Test? Gleichzeitig mußte sie ihre Fäuste in ihrem Schoß ballen, um ihre Hände nicht über Isis' Oberschenkeln gleiten zu lassen.
»Leg' dich einen Moment hin«, sagte Madrone, obwohl sie nicht umhin konnte, diesen Vorschlag als – nunja, suggestiv zu empfinden.
Isis lächelte. »Möchtest du, daß ich meine Kleidung ablege?«
»Mmh, das würde helfen«, gab Madrone zu.
Sich streckend und immer noch lächelnd, ließ Isis ihre Hosen fallen und schlüpfte aus ihrem Hemd. Ihr Körper war übernatürlich schön. Sie ging hinüber zum Bett und legte sich mit einer lässigen Anmut darauf, die Madrone wie eine Einladung erschien.
»Entspannen. Tief atmen.« Madrone saß neben Isis und legte eine Hand auf ihren Oberschenkel. Die festen Muskeln lösten in ihr ein elektrisierendes Verlangen aus. Und noch etwas, ein Gefühl für den Körper als ein wunderbares Tier, dem man Aufmerksamkeit gibt, das man pflegen und striegeln kann.
»Tiefer. Atme ein wenig tiefer. Und entspanne dich.« Madrone ließ ihre eigenen Sinne weiter in die Tiefe sinken, da, wo sie das Gleichgewicht spürte, die Chemie, die Hormone, die aus den Drüsen flossen und im Blut schwammen. Sie spürte merkwürdige Dinge, vielleicht die Drogen, spürte Verbindungen, denen sie nie zuvor begegnet war, als seien Teile der Biochemie dieser Frau erhitzt und bewegten sich in einem schnelleren Tempo. Und, vielleicht, alterten sie auch schneller. Brennen, aufbrennen, ausbrennen.
Madrones Hände wanderten zur Kehle der Piratin und zum Zentrum ihrer Stirn. Ein Bild erschien, ein Fluß in einem künstlichen Kanal, so weit und tief, daß ohne die rasende Kraft des Wassers, das Flußbett einstürzen würde. Konnte sie dieses Flußbett verändern? Nein, aber sie konnte die Drüsen in Ordnung bringen, Hypophyse, die Eierstöcke, und, ja, ein Fließen konnte erhalten werden ohne die Drogen, vielleicht nicht auf dem gleichen Niveau, aber genug, um einen Kreislaufkollaps zu verhindern. Wahrscheinlich.
»Ich kann etwas für dich tun«, sagte Madrone. »Keine vollständige Veränderung - du wirst ein wenig an Kraft verlieren und etwas weniger Energie haben. Und es wird dein Leben nicht verlängern. Aber du wirst nicht mehr von Drogen abhängig sein, obwohl es ein paar Kräuter gibt, die ich dir empfehlen würde. Und es könnte gefährlich sein. Ich könnte mich über das Ausmaß der Auswirkungen irren, es besteht die Möglichkeit, daß dein Kreislauf zusammenbricht. Es ist nicht wahrscheinlich, aber möglich.«
»Na ja, Apotheken ausrauben ist auch gefährlich«, sagte Isis, »und verlängert mein Leben auch nicht gerade. Setz Segel!«
Es war lange her, daß Madrone gearbeitet
Weitere Kostenlose Bücher