Das Fünfte Geheimnis
machte, würden sie über ihn herfallen. Er schreckte davor zurück, lieber auf dem Boden um Gnade winseln als nochmals all diese Pein erleben.
„Wir wollen keine Schwulen in unserer Einheit. Wir wollen nur richtige Männer bei uns“, fauchte Nullneun, und die anderen murmelten drohend Zustimmung.
„Laßt es uns herausfinden“, sagte Bird langsam, „laßt uns herausfinden, wieviele von euch echten Männern ich fertigmachen kann, bevor ihr mich tötet. Zwanzig gegen einen. Das ist echte Männlichkeit.“ Aber sein Herz war nicht ganz bei der Sache, und das witterten sie, wie Bluthunde die Erschöpfung ihres Opfers wittern.
Nullneun will mich nicht wirklich töten, glaubte Bird. Vielleicht hat er sogar Anweisung bekommen, mich keinesfalls zu töten. Und außerdem, er mag mich. Was wird er wohl tun?
„Ich habe eine bessere Idee“, sagte Nullneun. „Bringt ihn zu der Frau. Wenn du ein Mann bist, kannst du es beweisen.“
Scheiße, dachte Bird wieder, während die Männer ihn grölend vorwärts schubsten. Er glaubt womöglich noch, er tut mir einen Gefallen.
Das Zimmer hatte nicht einmal Fenster, es gab nur ein niedriges Metallbett und ein kleines Regal am Kopfende. Ein junges Mädchen lag da, nackt, die ausgestreckten Arme am Bett festgekettet. Es war nicht Rosa, Bird empfand erst unendliche Erleichterung, doch dann überkam ihn tiefe Scham. Ihr Leben war nicht weniger wert als das Rosa's. Und nicht weniger als sein eigenes. Blut klebte an ihrem Mund, an ihren Brüsten, und in ihren vor Entsetzen geweiteten Augen erspähte er auch soetwas wie wilden Trotz.
Sie erkannte ihn. Vielleicht hatte sie ihn einmal im Council gesehen. Vielleicht war sie bei seinen Trainingstunden dabei gewesen. Er kannte sie nicht, aber sie kannte ihn. Er konnte sie fragen. Aus ihren Augen las er Erleichterung und gleich darauf tiefes Entsetzen.
„Nimm sie, Mann.“ Sie rissen ihm T-shirt und Hosen herunter, seine alten Narben wurden sichtbar. „Nimm sie, oder wir nehmen sie für dich, jeder einzelne von uns. Du darfst zusehen. Dann ritzen wir unsere Nummern in ihren Körper und in deinen Schwanz!“
Das Mädchen versteinerte, er konnte sie gar nicht mehr ansehen. Ich kann das nicht, selbst wenn ich es wollte, selbst wenn ich überzeugt wäre, daß ich ihren Widerstand sanfter brechen könnte als die anderen, dachte er, selbst dann würde ich den Schwanz nicht hochkriegen. Nicht für sowas. Wie lange werde ich das durchhalten? Wenn ich noch lange mit diesen Kerlen zusammen bleiben muß, sinke ich immer tiefer und tiefer, bis ich schließlich sogar Gefallen an der Sexualangst von Frauen finde. Wollen sie mich Schritt für Schritt soweit bringen?
Die Männer vergriffen sich jetzt an dem Mädchen. Sie wehrte sich wild, mit geschickten Karatetritten. Blut floß.
„Paß bloß auf, die ist lebendig.“
„Meine Nase, verdammt noch mal! Sie hat mir die Nase gebrochen.“
„Schneid' sie doch, du Hurenbock! Wenn sie sich nochmal wehrt, schneid' ihr den verdammten Fuß ab!“
„Nein, nein!“ das war Nullneun, „alle zurück! Laßt Bird ran, wenn er kann.“
Für einen Moment herrschte beängstigende Ruhe im Raum. Jetzt diesen Moment nutzen, dachte Bird. Jetzt! Streng dein Gehirn an. Wie kommst du hier durch? Sonst hast du den Tod verdient.
Der Raum stank nach Angst. Aber auch Angst kann eine Waffe sein. Er erinnerte sich an seinen Karatelehrer. Der hatte das immer wieder betont. Die Angst deines Gegners ist der Ansatzpunkt, ihn zu besiegen.
„Hat einer von euch Böcken schon mal eine Hexe vergewaltigt?“ fragte Bird ganz sanft.
Erstaunte Stille um ihn herum.
„Warum fragst du“, das war Nullneun.
„Also nein.“
„Was meinst du eigentlich?“
„Nein, ich werde sie nicht nehmen. Ich weiß besser Bescheid als ihr.“
„Was weißt du besser?“
„Vorwärts, töte mich. Das kannst du doch. Jeder von euch kann das doch. Und danach wird es euch alle erwischen, alle zusammen. Also tötet mich, ich ziehe das vor.“
Nullneun und die anderen zuckten ängstlich zurück.
„Ich trau' dir nicht. Was weißt du?“
„Nichts.“
„Du gehörst zu unserer Einheit, Mann. Und du weißt etwas, erzähl' es uns.“
„Ich erzähle euch gar nichts. Vorwärts, nehmt sie, tötet mich. Ich sterbe gern.“
„Weil du zurückkommst und uns verhext, ist es so, Mann? Du wirfst unsere Seelen den Dämonen vor.“
Ah, es funktionierte, dachte Bird voller Erleichterung. Sie hatten Angst, ihn zu töten. Seine Lüge wirkte, sie hatten
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