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Das Fünfte Geheimnis

Titel: Das Fünfte Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Starhawk
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verschwand, und Madrone fühlte, wie sie durchs Wasser gezogen wurde. Für einen Moment empfand sie einen Verlust. Sie selbst war der ganze Ozean, war die Göttin, war das Leben selbst gewesen. Und nun war sie nur ein winziges Stück Leben, das an einem Tau durchs Wasser gezogen wurde.
    An der Bordwand wuchtete Isis Madrone auf ihren Rücken und schleppte sie die Leiter hoch. Madrone kippte zur Seite, versuchte einen tiefen Atemzug, dann würgte sie fürchterlich und schließlich kam ein Strom orangefarbenen Wassers aus ihrer Kehle.
    Wie bei einer Geburt, empfand sie dunkel. Dann übergab sie sich noch einmal.
    „Wir müssen sie warm halten“, hörte sie Isis zu Melissa sagen. Dann übernahm Isis wieder das Ruder. Das Boot neigte sich zur Seite, als Isis die Schoten dicht holte und der Wind die Segel wieder füllte.
    „Bring sie nach unten. Leg sie hin und hol eine Decke. Gib ihr etwas Honig-Wasser.“
    Meine Geburt, dachte Madrone. Meine Geburt aus dem Ozean, aus dem Schoß des Meeres. Meine Wiedergeburt. Ich schätze, ich lebe noch.

Kapitel  28
    Ich will ihn sehen!“ Maya stand am großen runden Küchentisch, ihre Hände krallten sich so hart um die Tischkante, daß die Knöchel weiß hervortraten. Sam saß ihr gegenüber, die dunklen Brauen zusammengekniffen, die Lippen fest aufeinandergepreßt. „Er deutet aber an, daß du wegbleiben sollst. Es ist einfach zu gefährlich, Maya. Ich war so dumm, deinen Namen zu nennen.“ „Egal, er ist mein Enkelsohn. Was schert mich da die Gefahr?“ „Du wirst ihm schaden, Maya. Du wirst zu seiner Erniedrigung
    beitragen.“ „Bullshit!“ Sam stieß einen tiefen Seufzer aus, dann sagte er in besänftigendem
    Ton: „Es sind ständig Wachen um ihn. Wenn die herausbekommen, daß du seine Großmutter bist, merken sie dich als Geisel vor.“ „Von mir aus. Sam, ich bin alt. Was macht es schon, wenn ich sterbe. Es ist längst fällig.“ „Was, und ich bin kein Grund, am Leben zu bleiben? Ich dachte,
    unsere kleinen Anatomie-Stunden machen dir auch Spaß?“ „Mach' jetzt keine Witze, Sam.“ „Verzeih!“ Er lehnte sich über den Tisch und ergriff ihre Hand.
    „Ich leide doch mit dir.“ „Das ist es aber nicht, warum ich leide! Ich will nicht tatenlos herumsitzen. Und ich will meinen Enkel sehen.“ „Laß ihn in Ruhe, Maya. Du kannst im Moment nichts für ihn
    tun.“ „Vielleicht kann ich ihm helfen.“ „Du hilfst ihm, wenn du fern bleibst. Maya, du bist eine gestandene Frau. Du hast viele Kämpfe ausgefochten. Warum kannst du die
    sen einen Kampf nicht vermeiden?“
    „Vermeiden! Du bist so alt wie ich!“
    „Ich bin fünfzehn Jahre jünger als du.“
    „Männer altern schneller. Sie verschleißen sich schneller. Aber nicht schnell genug, wie ich nun fürchte.“
    Doch sie blieb der Plaza fern.

    ✳✳✳

    Niemand holte sich eine Rationierungskarte. Niemand kam, obwohl Bird nun Morgen für Morgen auf der Plaza stand; flankiert von seinen beiden Bewachern. Sie waren immer da, fast wie sein Schatten. Sie sahen ihm sogar etwas ähnlich, mit der gleichen schlammfarbenen Hautfarbe, schwarzen Augen und dem gekräuselten, kurzgeschnittenen Haar. Alle Männer aus dieser Einheit sahen sich verblüffend ähnlich. Es dauerte Tage, bis er einige von ihnen auseinanderhalten und wiedererkennen konnte, abgesehen von den Nummern, die auf ihren grauen Uniformen prangten. Nicht daß es viel ausmachte, sie hatten alle keine Namen, er konnte sie ohne weiteres mit der Kurzversion ihrer Identitätsnummer rufen. Drei-zwo, Vierzig-sechs, es klang ähnlich wie der Slang, den Bird im Steward-Gefängnis erstmals gehört hatte. Ein Stakkato von Worten, eben die Sprache eines Militärlagers. Fast als wären diese Menschen nicht berechtigt, viele Worte zu machen.
    Die Kaserne war in einem alten Verwaltungsgebäude untergebracht. Schreibtische und Schränke waren entfernt, lange Reihen von Strohsäcken lagen in den Räumen unter Fenstern, die sich nicht öffnen ließen. In seiner ersten Nacht hatte Nullneun, der größte Kerl in ihrer Gruppe, sich plötzlich mit einem blutrünstigen Schrei fäusteschwingend auf ihn gestürzt. Bird seufzte. Er kannte das alles zur Genüge. Gefängnismanieren eben. Er packte Nullneuns rechten Arm, verdrehte ihn blitzschnell, nützte den Vorwärtsschwung des Gegners geschickt aus und ließ ihn über seinen Rücken auf den Boden krachen. Nullneun war sofort wieder auf den Beinen und griff nach seinem Messer. Bird drehte sich auf dem Absatz, rammte

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