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Das Fünfte Geheimnis

Titel: Das Fünfte Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Starhawk
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sein könnten. Gleichmäßige Schritte machen, gleichmäßig atmen. Ein alter Song kam ihr in den Kopf.

    Schritt für Schritt,
    erklimmen wir die höchsten Berge.
    Schritt für Schritt...

    Es gab noch mehr Text, aber sie konnte sich nicht mehr erinnern. Macht nichts, sagte sie sich. Der Refrain genügt, immer rhythmisch wiederholen, endlos wiederholen und dazu die Beine bewegen, das war alles, worauf es jetzt ankam. Sie schwitzte und keuchte. Das Blut rauschte ihr in den Ohren. Ch'i hereinziehen, dachte sie, und es Katy geben, sie am Leben halten und sich selbst auch. Irgendwo in diesen sterilen Fluren mußte sie es finden. Johanna hilf, Papa hilf! Yemaya, du bist so fern! Hinauf, und noch einmal hinauf. Eine Treppe geschafft und die nächste schon halb. Schon halb dort. Nicht drüber nachdenken, einfach den nächsten Schritt machen, oder an ganz etwas anderes denken. Klettern in der Felswand mit Bird, damals, als sie Teenager waren. Sie hatte gedacht, sie würde für immer an der Seite dieser Klippe hängenbleiben, und dann hatte sie doch irgendwie die Kraft gefunden, weiter aufzusteigen. Atmen. Es gab die Luft hier und niemand konnte sie hindern zu atmen. Ein, aus. Auf, Füße heben. Noch eine Treppe, nur noch eine halbe Treppe, vielleicht sollten sie eine kleine Pause einlegen, ihr Kopf hämmerte, aber die Gunst des Augenblicks konnte jeden Moment verflogen sein, und sie mußte überlegen, was zu tun sei, wenn sie oben anlangten. Noch fünf Stufen. Vier. Drei. Zwei. Eine. Gesegnet sei's!
    Sie zerrte Katy in eine Nische. Mit etwas Glück kommt hier niemand vorbei, während ich fort bin. Und mit noch etwas mehr Glück, würde sie niemand bemerken. „Ruh' dich einen Moment aus“, sagte sie, „und verhalte dich ruhig. Okay?“
    Katy nickte. Madrone wischte sich den Schweiß vom Gesicht, rückte das weiße Häubchen zurecht. Dann zwang sie sich, ruhig und freundlich auszusehen und ging hinaus.
    Wie kriege ich sie hier nur heraus, fragte sie sich. In einem Korb voller Wäsche? Woher einen Korb nehmen? Und mit welcher Begründung würde ich einen solchen Korb durch die Tür bekommen? Katy in einen Rollstuhl setzen? Woher sollte er kommen?
    Dann sah sie, wie jemand kam und direkt auf den Ausgang und die Pförtnerloge zuging. Madrone zog sich etwas zurück. Aufgepaßt, wie läuft das nun ab? Kein Paß, keine Formalitäten. Der Mann schob einen Rollstuhl einfach auf die Tür zu, und dann war er draußen. Heilige Mutter alles Lebendigen! Madrone konnte es kaum glauben. Niemand kümmerte sich darum, wer hinausging!
    Und nun, wenn mein Glück anhält und keine sportlichen Typen die Treppe benutzen und keiner bemerkt, wie sehr ich mich zusammennehme um nicht aufzufallen. Ja, da kommt er zurück, mit dem Rollstuhl. Mama, hilf mir bei diesem letzten Streich.
    Schnurstraks ging sie auf den Mann mit dem Rollstuhl zu. „Genau den brauche ich jetzt!“ sagte sie mit ihrer freundlichsten Stimme und schenkte ihm einen Augenaufschlag. Sie hoffte, daß es irgendwie nach Flirt aussah und nicht nur grotesk wirkte. Er grinste und zwinkerte ihr zu. „Gehört alles Ihnen, junge Frau!“
    Madrone zwinkerte zurück und hoffte, daß er den Geruch von Angst und Schweiß, der doch von ihrem Körper ausgehen mußte, nicht bemerkte und ging quer durch die Halle zum Treppenhaus. Schwierig war auch der Moment, als sie den Rollstuhl allein lassen mußte, um Katy aufzuhelfen und sie in den Korridor zu führen. Sie betete, niemand möge vorbeikommen und fragen, was eine offensichtlich kranke Frau im Treppenhaus zu suchen hatte. Aber sie hatten wieder Glück. Katy fiel in den Stuhl, und Madrone deckte sie mit dem Laken und der Spital-Wolldecke zu.
    „Versuche, glücklich auszusehen“, sagte Madrone halblaut, dann rollte sie sie schnell und gleichmäßig durch die Halle. Die Zeit wurde allmählich knapp. Der Weg durch das Treppenhaus hatte eine Ewigkeit gedauert. Wieviel Zeit mochte verstrichen sein, seit sie diese Ärzte im Korridor getroffen hatte? Seit sie den Raum mit den Computern verlassen hatte? War Katys Verschwinden schon bemerkt worden? Oh Göttin, laß sie noch beim Essen sitzen, laß sie etwas trinken, laß schöne Frauen sie verführen. Laß sie an ihrem Essen ersticken und sie gleichzeitig am Herzanfall sterben. Ach, das wäre ein poetischer Tod für solche Ärzte. Ruhig, befahl sie sich, ruhig atmen. Lächeln, honigsüß dem Portier zulächeln. Hier ist der Haupteingang, mit all dem Kommen und Gehen. Und mit dem letzten bißchen

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