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Das Fünfte Geheimnis

Titel: Das Fünfte Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Starhawk
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noch nicht. Die bevorstehende Geburt würde auch nicht leicht werden, nach den schlimmen Erlebnissen der letzten Tage. Und nun das Wimmern von Angela. Aber es klang wirklich, als hätte die Kleine Schmerzen. Würde sie Kraft genug haben, ihr auch noch zu helfen?
    Wut stieg in ihr auf. Sie fühlte große Lust, die Kleine einfach über Bord zu werfen. Dann wäre Stille, göttliche Stille. Das Kind schrie einfach zu nervtötend.
    Ich verliere mein Mitgefühl, dachte sie reuevoll. Dann fielen ihr Lou, Aviva und Sam oder Sandy ein. Auch die würden zynische Bemerkungen machen und lachen, und dann wäre das Problem nur noch halb so schlimm. Diosa! Sie vermißte sie so sehr. Sie vermißte ihre Freunde, ihre compañeros, mit denen sie sich ohne viele Worte verstand. Hier war niemand, der sie verstand, außer vielleicht Katy. Doch die lag nun krank, stöhnend und schwitzend in der Koje, und möglicherweise würde sie bei der Geburt sterben.
    Was soll ich nur tun? Ich brauche jemanden, der mich heilt.
    Angela wimmerte lauter. Okay, dachte Madrone, vielleicht schaffe ich es, die Kleine zu beruhigen. Sie legte ihre Hand auf den Kopf des Mädchens und konzentrierte sich, bis über die Handfläche Wärme in den kleinen Körper floß. Göttin, wie müde sie doch war. Ihre Hände kamen ihr bleischwer vor. Sie konnte nichts visualisieren, sich keine Energien vorstellen, die hinüberflossen. Doch ihre Hände kannten die Aufgabe. Die Kleine atmete ruhiger, hörte auf zu wimmern und schlief dann ein. Madrone spürte, es war nur die Nervosität der Umgebung, die die Kleine so beunruhigten. Nichts Ernstes also.
    Madrone wusch ihre Hände in einem Eimer. Dann besah sie sich Katy. Der Muttermund hatte sich erst ganz wenig geöffnet.
    „Du da drin“, murmelte Madrone, „du und Katy und ich, wir haben noch eine lange Nacht vor uns.“
    Sie hörte Stimmen an Deck und das Hantieren mit Tauwerk. War Sara zurück? Göttin sei Dank. Das Ruder knarrte. Das Boot nahm Fahrt auf, und Madrone fühlte, wie es sich im Wind zur Seite neigte. Sie waren unterwegs.
    „Du siehst erschöpft aus“, sagte Mary Ellen, „komm, laß mich etwas für dich tun.“
    „Ich brauche ungefähr sechs Monate absolute Ruhe“, gab Madrone zurück.
    „Warum legst du dich nicht einfach hin? Ich war schon bei einigen Geburten dabei. Ich kann bei Katy sitzen, während du schläfst. Es wird nichts passieren.“
    „Es geht nicht nur um die Geburt. Katy ist sehr krank. Sie liegt vielleicht im Sterben. Es ist anscheinend dieselbe Krankheit, die ich mit knapper Not überstanden habe. Ich wäre beinahe daran gestorben. Wie kann ich da schlafen, während Katy so krank ist? Aber was ist, wenn ich nicht stark genug bin, um ihr Heilung zu bringen?“
    Mary Ellen kniete neben Madrone nieder und schlang ihre Arme um sie. Aufseufzend schmiegte sich Madrone in ihre Arme und weinte. Sie fühlte sich wie ein kleines Kind. Wie damals, in den Armen von Johanna. Ach, wenn sie sich eine Woche so ausruhen könnte.
    „Du bist einfach übermüdet. Du brauchst Ruhe. Dann findet sich auch die Antwort, die du jetzt nicht erkennen kannst.“
    „Wenn es nur so wäre!“
    „Man kann nie wissen!“
    Gehorsam kroch Madrone in die vordere Koje im dreieckigen Bug des Schiffes. Nur ein paar Minuten ausruhen, dachte sie. Einige Momente Ruhe, sagte sie zu sich selbst. Lieber Körper, nimm jede Minute Ruhe für eine Stunde. Dann lag sie da, erschöpft, und an Schlaf war gar nicht zu denken.
    Sie beobachtete ihre Atemzüge, versuchte die Entspannungstechniken anzuwenden, die sie so oft anderen empfohlen hatte. Muskel für Muskel, anspannen und entspannen. Tief atmen. Doch der ersehnte Schlaf kam nicht. Statt dessen wanderten ihre Gedanken auf einer bekannten Straße, zurück nach Guadeloupe. Neben der Tür des Hauses blühte Oleander. Zögernd trat Madrone näher, doch dann konnte sie nicht widerstehen und stieß sachte die Tür auf. Ich weiß, jetzt gibt es hier nichts mehr zu befürchten, dachte sie. Ein angenehmer Duft empfing sie, er erinnerte sie an ihre Mutter Rachel. Langsam gewöhnten sich ihre Augen an das Dämmerlicht. Ganz wie früher stand in der Ecke der alte Schaukelstuhl, und ganz wie früher wippte er langsam auf und nieder. Das rhythmische Geräusch dabei klang wie das regelmäßige Pochen eines Herzens. Madrone ging auf Zehenspitzen näher. Ihre Mutter sah sich um, stand auf und kam mit ausgestreckten Händen auf sie zu.
    Madrone wich einen Schritt zurück. Ihre erste Regung war,

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