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Das fuenfte Imperium

Titel: Das fuenfte Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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ja?«
    Der Moldawier nickte.
    »Na klar«, sagte ich. »Wie immer. Alles auf die Vampirjuden schieben. Dafür braucht es nicht viel Grips.«
    »Wieso Vampirjuden?«, fragte der Moldawier.
    »Juden, Fledermäuse, Vampire - die ganze Monsterabteilung ... So was hat man bei euch immer kaltgemacht.«
    »Was soll das heißen, bei euch?«
    »Bei euch Menschen natürlich!« Ich merkte, wie ich mich in Rage redete. »Was soll man von euch auch anderes erwarten. Ging ja schon gut los, eure Geschichte: gleich als Erstes ein Genozid!«
    »Was? Wieso?«
    »Na, wer hat denn die Neandertaler abgeschlachtet vor dreißigtausend Jahren? Dachten Sie, das ist vergessen? Das vergessen und vergeben wir nie! Mit Genozid ging es los, mit Genozid wird es enden, denken Sie an meine Worte! Und stempeln Sie die Vampire gefälligst nicht zu Sündenböcken ...«
    »Sie haben mich falsch verstanden«, entgegnete der Moldawier erschrocken. »Ich will den Vampiren gewiss nicht alles in die Schuhe schieben. Jedes Zimmer in dem Haus ist für sich selbst verantwortlich. Es kann Gott zu sich einladen. Oder lieber Ihre Gesellschaft suchen. Natürlich wird sich jedes Zimmer zuerst einmal am Göttlichen orientieren, das hat man so im Blut. Aber Glamour und Diskurs haben die meisten Zimmer längst dorthin gebracht, dass sie Mode und Design für das A und O halten. Und hängt ein Zimmer erst einmal diesem Glauben an, dann haben sich die Fledermäuse schon darin angesiedelt. Da wird Gott wohl kaum noch hineinschauen. Doch gebe ich den Vampiren keine Schuld. Ihr seid ja nicht zuständig für die Zimmer in dem Palast. Ihr seid Fledermäuse. Das ist euer Metier.«
    »Und was wird aus dem Palast werden, Ihrer Meinung nach?«
    »Gott hat viele solcher Paläste. Sollten in dem hier irgendwann sämtliche Zimmer von Mäusen in Beschlag genommen sein, wird Gott ihn liquidieren. Besser gesagt, er wird nicht weiter daran bauen, das läuft auf dasselbe hinaus. Äußerlich, so sagt man, wird es sich als ein ungeheuer gleißendes Licht ausnehmen, das die ganze Welt verbrennt. Tatsächlich aber verschwindet nur die Illusion der Materie, und Gottes Natur, die alles durchdringende, wird zutage treten, wie sie ist. Genauso wie es angeblich am Ende eines jeden einzelnen Lebens geschieht ... Unser Palast macht schwere Zeiten durch. In beinahe jedem Zimmer wohnen die Mäuse. Überall schmatzen die Destillatoren, in denen das M5~Aggreggat sich ablagert...«
    »Sie sind gut informiert!«, sagte ich. Der Moldawier ging nicht darauf ein.
    »Die Frage ist doch: Was tun wir, wenn Gott eines Tages die Nase voll von uns hat und das Projekt für beendet erklärt?«, sagte er.
    »Keine Ahnung. Vielleicht werden wir auf einem neuen Planeten dienstverpflichtet ... Mich interessiert etwas anderes. Sie sind doch Professor für Theologie. Sprechen von Gott, als wäre es Ihr guter Bekannter. Dann sagen Sie doch mal: Warum hat er das alles so eingerichtet? Warum lässt er unser Leben so leer und sinnlos sein?«
    »Wenn Ihr Leben einen Sinn hätte«, entgegnete der Moldawier kühl, »dann täten diejenigen recht daran, die die Fiedermäuse zu sich hereinlassen. Dann hätte Gott keinen Ort zum Wohnen mehr.«
    »Soso ... Aber warum erzählen Sie mir das eigentlich alles?«
    »Ich möchte Ihnen eine Telefonnummer geben«, antwortete der Moldawier und streckte mir ein Kärtchen mit Goldschnitt entgegen. »Wenn Sie mögen, kommen Sie zu unseren Gebetsabenden. Dass der Weg zurück ein leichter sein wird, kann ich nicht versprechen. Aber Gott ist gnädig.«
    Ich griff nach dem Kärtchen. Darauf stand:
Zu Gott durch Gottes Wort
Gebetshaus Logos KataKombo
    Auf der Rückseite standen die Telefonnummern.
    Ich schob das Kärtchen in meine Hosentasche. Dabei fuhr ich mit der Hand über die Stelle an meinem Gürtel, wo das Futteral mit dem Todesbonbon hätte sein müssen. Es war nicht dort, ich war wieder einmal ohne aus dem Haus gegangen. Doch selbst wenn ich es dabeigehabt hätte ... Die Geste war rein reflektorisch gewesen.
    »Ich sehe schon«, sagte ich. »Anstelle der Weinpresse wollen wir in der Villa dei Misteri eine kleine Kerzenfabrik aus dem Boden stampfen, ja? Aber daraus wird nichts, das lassen die Chaldäer nicht zu. Bestenfalls kriegen Sie einen kleinen Hobbykeller. Wenn noch Platz übrig sein sollte ...«
    »Seien Sie nicht zynisch. Gehen Sie in sich, nehmen Sie sich die Zeit.«
    »Das werde ich, keine Sorge«, erwiderte ich. »Ich sehe, Sie sind ein guter Mensch. Besten Dank für Ihre

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