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Das fuenfte Imperium

Titel: Das fuenfte Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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bemerkte ich. »Selbst über den Kontrollbiss wissen Sie Bescheid. Von dem sogar ich das erste Mal höre.«
    »Kommen Sie mir nicht ironisch, junger Mann. In Ihren Kreisen ist jeder Biss ein Kontrollbiss.«
    »Da können Sie recht haben«, seufzte ich. »Gut, versprochen. Worin besteht Ihre Ergänzung?«
    »Sie betrifft das, was man in Ihren Kreisen gemeinhin als Geist B bezeichnet. Den jungen Vampiren wird erzählt, der menschliche Geist B sei nichts als eine Geldtitte. Aber das ist nicht wahr.«
    »Und was ist er in Wahrheit?«
    »Sind Sie schon mal in Pompeji gewesen?«
    »Italien? Nein«, antwortete ich, »aber gehört habe ich davon. Alte römische Stadt, unter Vulkanasche konserviert, darüber habe ich einiges gelesen.«
    »Genau«, sagte der Moldawier. »Der interessanteste Ort in Pompeji ist die Villa dei Misteri.«
    »Ach, ich erinnere mich. Diese Villa am Stadtrand. Der Name kommt von den Fresken, auf denen ein Initiationsritual für dionysische Mysterien dargestellt ist. Wir hatten sogar Bilder dazu im Diskurs. Sehr schöne. Aber wie kommen Sie jetzt auf diese Villa?«
    »Schauen Sie, dieses Haus existierte von Mitte des dritten Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung bis zum Untergang von Pompeji. Dreihundert Jahre. Heute kann selbstverständlich keiner wissen, was für Mysterien damals dort abliefen. Aber die Fresken beflügeln unsere Phantasie so sehr, dass man nicht müde wird, darüber zu streiten. Meiner Ansicht nach sind die Fresken nicht einmal die Hauptsache. Im Flur des Hauses gibt es Malereien mit rätselhaften kleinen Details - irgendwelche ägyptischen Symbole auf schwarzem Grund, etwas wie Embleme, Schlangen oder so -, ganz ähnlich wie auf den alten Singer-Nähmaschinen. Na, die werden Ihnen wohl kaum mehr begegnet sein.«
    »Ihre Gedanken sind ziemlich sprunghaft. Erst waren Sie bei Geist B, dann auf einmal bei dieser Villa, und jetzt sind wir bei Singer-Nähmaschinen angelangt.«
    »Warten Sie, gleich klärt sich das. Auf Photos fällt es nicht auf, aber wenn Sie selbst in dieser Villa stehen, stoßen Sie auf eine Reihe Ungereimtheiten. Einerseits die Fresken, oh ja. Andererseits steht da inmitten all der Pracht eine grobe und primitive Kelterpresse ... Dann fallen Ihnen irgendwelche missratenen Wirtschaftsgebäude ins Auge, angebaut an unpassendster Stelle. Währenddessen erläutert der Reiseführer, in dieser Villa seien tatsächlich Initiationen vorgenommen worden. Irgendwann vor langer, langer Zeit. Aber nach den ersten Erdstößen - lange vor dem verheerenden Vulkanausbruch - hätten die Besitzer das Haus verkauft und verlassen. Danach sei die Villa zum Landwirtschaftsbetrieb umfunktioniert worden, Wein wurde gekeltert...«
    »Was wollen Sie mir mit alledem sagen?«
    »Ich will damit sagen: Der Mensch ist auch so eine Villa der Mysterien. Zwar behauptet ihr Vampire, ihr hättet die Villa selbst gebaut, um Bablos darin abzupressen. Und die alten Fresken an den Wänden stellt ihr euch als Nebeneffekte eurer landwirtschaftlichen Betätigung vor. Da wurde halt zur Genüge geschweinert und gespritzt an den Bottichen, aus denen es gärte und schäumte, und plötzlich waren diese Bilder an der Wand ...«
    Wir standen inzwischen an der Haustür.
    »Gut«, sagte ich. »Haben Sie eine andere Version?«
    »Jawohl. Der Geist B - Ihnen auch unter der Bezeichnung Geldtitte vertraut - ist ein Raum für abstrakte Begriffe. Die in der Außenwelt nirgends Vorkommen. Gott ist ja auch nicht in der Welt. Geist B wurde geschaffen, damit Gott einen Ort hatte, an dem er den Menschen erscheinen konnte. Unser Planet ist bestimmt kein Gefängnis. Er ist ein sehr geräumiges Haus. Ein Zauberhaus. Mag sein, dass in den Untergeschossen irgendwo auch ein Gefängnis ist, aber eigentlich ist es ein Palast Gottes. Man hat Gott schon viele Male zu töten versucht, ihm viel und übel nachgeredet, selbst die Nachricht, er habe eine Prostituierte geehelicht und sei daran gestorben, war in den Medien zu erfahren. All das ist nicht wahr. Man weiß einfach nie, in welchem der Gemächer er gerade wohnt - er wechselt sie beständig. Bekannt ist nur, dass dort, wohin er sich jeweils begibt, Sauberkeit herrscht und ein Licht angesteckt ist. Und es gibt Zimmer, da lässt er sich niemals sehen. Von diesen Zimmern gibt es leider mehr und mehr. Dort pfeift der Wind hinein und weht jede Menge Glamour und Diskurs an. Und wenn sie dann vollgemüllt sind und schimmeln, zieht der Geruch die Flughunde an.«
    »Damit meinen Sie uns,

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