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Das fünfte Kind. Roman

Das fünfte Kind. Roman

Titel: Das fünfte Kind. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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interessant fand.
    Die meiste Zeit über waren zwölf Erwachsene und zehn Kinder im Haus. Auch Nachbarn schauten – auf Einladung – herein, aber der Familienzusammenhalt war so stark, dass sie keinen echten Anschluss fanden. Und Harriet und David triumphierten, weil sie mit ihrer Hartnäckigkeit, die von jedermann kritisiert oder belächelt worden war, dieses Wunder bewirkt hatten: Es war ihnen gelungen, all diese unterschiedlichen Menschen zusammenzubringen, und zwar so, dass sie sich gegenseitig mochten.
    Das zweite Kind, Helen, wurde wie Luke im Ehebett geboren, die Beteiligten waren dieselben, und wieder wurde der Kopf des Babys mit Champagner gesalbt, und alle vergossen Freudentränen. Luke wurde aus dem Babykämmerchen ein Zimmer weiter verlegt, und Helen nahm seinen Platz ein.
    Obgleich Harriet erschöpft war – richtiger: wie ausgepumpt –, fand das Osterfest auch diesmal statt. Dorothy war dagegen. »Du bist
müde
, Kind«, sagte sie, »müde bis in die Knochen.« Dann, nach einem Blick in Harriets Gesicht: »Na schön, aber du rührst keinen Finger, verstanden?«
    Harriets Mutter und ihre beiden Schwestern übernahmen die Verantwortung für die Einkäufe, die Küche und alle schwere Arbeit.
    Das Haus wurde wieder voll, und in dem geräumigen Wohnzimmer hielten sich auch die beiden Kleinen auf, Helen und Luke, beide blond, blauäugig und rosenwangig. Luke stapfte und stolperte von einem zum andern, und Helen strampelte in ihrem Wägelchen.
    Auch im Sommer 1968 war das Haus voll bis unters Dach, und fast alle gehörten zur Familie. Für die Londoner war es so bequem: Die Berufstätigen fuhren morgens mit David weg und kamen abends mit ihm zurück. Und zwanzig Autominuten entfernt gab es schöne Spazierwege.
    Besucher kamen und gingen, sagten, es sei nur für zwei Tage, und blieben eine ganze Woche. Und wer bezahlte das alles? Nun, natürlich leistete jeder einen Beitrag, aber ebenso natürlich längst nicht genug, doch man wusste ja, dass Davids Vater reich war. Wenn James Lovatt die Hypothek nicht bezahlt hätte, wäre das alles unmöglich gewesen. Sie waren immer knapp bei Kasse. Sparmaßnahmen wurden eingeführt, aus zweiter Hand wurde eine gut erhaltene Tiefkühltruhe im Hotelformat angeschafft und mit Obst und Gemüse gefüllt. Dorothy, Sarah und Angela machten Kompott und Marmelade und Chutneys ein. Sie buken Brot, bis das ganze Haus danach roch. Da war das Glück, auf die alte Art.
    Dennoch blieb der Himmel nicht ganz wolkenlos. Sarah und ihr Mann William waren unglücklich verheiratet, zankten ständig, versöhnten sich. Aber Sarah war mit dem vierten Kind schwanger, und an Scheidung war nicht zu denken.
    Weihnachten, ebenso festlich begangen wie im Jahr zuvor, kam und ging. Dann kam schon wieder Ostern … Manchmal wussten sie selbst nicht mehr, wo man alle unterbringen sollte.
    Die Wolke, die von Sarahs und Williams Streitereien herrührte und zuweilen das Familienglück überschattete, löste sich auf, da sie von etwas viel Schlimmerem verdrängt wurde. Sarahs viertes Kind wurde mit dem sogenannten Down-Syndrom geboren, und eine Trennung kam nun erst recht nicht mehr infrage. Dorothy bemerkte gelegentlich, es sei schade, dass sie sich nicht zweiteilen könne, denn Sarah brauche sie ebenso wie Harriet, eher noch mehr. Und fortan fuhr sie öfter zu Sarah, die im Gegensatz zu Harriet wirklich geschlagen war.
    1970 , als Helen zwei Jahre alt war, wurde Jane geboren. Viel zu schnell, schalt Dorothy. Was sollte die Eile?
    Helen zog in Lukes Zimmer, und Luke wanderte wieder eine Tür weiter. Jane brabbelte zufrieden im Babykämmerchen, und die beiden »Älteren« krochen gern zu den Eltern ins Bett, um zu kuscheln und zu spielen, oder sie besuchten Großmutter Dorothy in ihrem Bett und spielten dort.
    Glück. Eine glückliche Familie. Ja, die Lovatts waren eine glückliche Familie. Es war das, was sie sich ausgesucht hatten und was sie verdienten. Oft, wenn David und Harriet dalagen und einander anschauten, kam es ihnen so vor, als flögen Türen in ihrer Brust auf, und was hervorquoll, war eine so innige Erleichterung und Dankbarkeit, dass sie immer noch darüber staunten. Nun war schon so viel Zeit vergangen, und es war nicht immer leicht gewesen, Geduld und den Glauben an sich selbst zu bewahren, während der Zeitgeist der raffgierigen und selbstsüchtigen Sechziger auf der Lauer gelegen hatte, sie zu verdammen, zu isolieren, das Gute in ihnen herabzuwürdigen. Doch siehe, sie hatten damit

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