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Das fuenfte Maedchen

Das fuenfte Maedchen

Titel: Das fuenfte Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Philip
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natürlich war ich es letztlich, die ihm einredete, vom Dach zu springen.
    Nicht dass ich etwas gesagt hätte, als er zögerte und hinuntersah. Ich wollte nicht alles schlimmer machen, indem ich noch etwas sagte, und ich war mir völlig sicher, dass ich sowieso das Falsche sagen würde. Also ließ ich es zu, dass die anderen ihn verspotteten, und ich ließ ihn fallen, ließ ihn springen.
    Letztlich kommt es aufs Gleiche raus.
    Ich wusste, ich müsste Alex besuchen. Ich sollte hingehen, an der Tür klingeln und in die kalten, gekränkten Augen seiner Mutter sehen, die voller Vorwurf waren. Zuletzt hatte ich sie vor sechs Monaten gesehen, als ich ihr auf der Hauptstraße in Glassford begegnet war. Ich hatte das seltsame Gefühl, dass er mir, wenn ich mit ihm redete, vergeben würde und dass ich mich besser fühlen würde und mir schließlich selbst vergeben könnte.
    Ich war nicht bereit, mir zu vergeben. Und von Alex Jerrold Verzeihung zu erlangen, war eine demütigendere Vorstellung, als ich ertragen konnte. Ich stellte mir eines dieser viktorianischen Gemälde vor: Ich würde an seinem Krankenbett knien, eingetaucht in gelbes Licht, und würde seine schlaffe, vergebende Hand gegen mein tränenüberströmtes Gesicht pressen.
    Ich ging bis zum Ende der Straße, von der die kleinere Straße abzweigte, die zu seinem Haus führte, dann kniff ich. Ich kam nicht weiter als bis zu der großen Blutbuche an der Ecke. Wenn ich daran vorbei war, würde ich deutlicher zu sehen sein, und der blasse Alex, der auf seinem viktorianischen Krankenbett ruhte, würde mich vielleicht aufgrund irgendwelcher Spiegeltricks und schräger Winkel erblicken. Also machte ich auf dem Absatz kehrt, wie ich es immer tat, und ging stattdessen zur Bibliothek.
    Websites über Rückgratverletzungen und ich waren alte Freunde. Ich informierte mich gern über neue Forschungsergebnisse und Möglichkeiten, doch selbst wenn es um Nierenkomplikationen, Überlebensraten und Langzeitfolgen nach zehn Jahren ging, konnte ich nicht wegsehen. Seltsamerweise verliehen mir die Schuldgefühle, die mich innerlich marterten und quälten, ein besseres Gefühl. Ich sollte mich schuldig fühlen, schlecht fühlen. Und wer weiß, vielleicht fand ich etwas heraus, was die Ärzte, seine Eltern, die Gutachter und die Physiotherapeuten übersehen hatten. Ich kehrte zu diesen Internetseiten zurück wie ein Täter zum Ort des Verbrechens.
    Die Bibliothekarin, die sogar an einem guten Tag Teil meiner Buße war, sah mich böse an, sobald ich die Tür aufstieß. Ich nahm mein Handy heraus und machte es aus. Letztes Mal hatte sie mich rausgeworfen, weil es plötzlich angefangen hatte zu klingeln und sie ihre Periode hatte oder einfach einen schlechten Tag. Ich mochte es nicht, wenn ich angeblafft wurde; ich war es nicht gewohnt und mir fiel auch keine Antwort ein.
    Ich mag es, wie man sich im Netz verlieren kann, noch ein Klick und noch einer. Ich bemerkte nicht, wie spät es war, bis es dunkel wurde. Die Uhren waren noch nicht wieder zurückgestellt, sodass es ziemlich spät war, selbst im September. Ich musste mich ausloggen, mir meine Jacke schnappen und nach Hause laufen.
    Zwischen unserer Straße und der Hauptstraße befand sich ein winziges Dreieck aus Rasen und Sträuchern. Diese Abkürzung nahm ich auch, wenn ich nicht mehrere Stunden Verspätung hatte. Und genau dort stieß ich an diesem Abend direkt auf Jinn.
    Zuerst erkannte ich sie nicht, so ziellos, wie sie da umherirrte, weinend und völlig durchnässt, ein Fall für aufmerksame, fürsorgliche Mitmenschen. Eigentlich wollte ich der merkwürdigen Erscheinung ausweichen, doch dann erkannte ich den Glanz ihres Haars, als sie stehen blieb und mich anstarrte. Und dann fing sie an zu brüllen.
    Ich stand einfach da, wie vom Donner gerührt von ihrer hysterischen Wut und auch ein bisschen verwirrt.
    Als sie außer Atem geriet, keine Worte mehr fand, rieb sie sich die Augen. »Seit Stunden versuche ich, dich auf dem Handy zu erreichen.«
    Ich holte mein Handy heraus, klappte es auf und schaltete es wieder ein.
    Es war zu mühsam, es zu erklären. Und natürlich war es viel zu kompliziert, Jinn zu erklären, was ich in der Bibliothek gemacht hatte. Als sie sich wieder etwas beruhigt hatte, sagte ich lediglich: »Tut mir leid.«
    Â»Ich habe es überall versucht. Bertha.

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