Das fuenfte Maedchen
zurück«, sagte Bertha.
»Sie würde gern zurückkommen.« Ich weià nicht, warum ich das sagte. Woher sollte ich das wissen?
»Wovon lebt sie?«
Ich zuckte die Schultern. »Sozialhilfe.«
»Ruby.« Sie zögerte. »Geht es ihr wirklich gut? Ich meine, Jinn hat Probleme gehabt, aber sie ist ein gutes Mädchen. Sie hat diese Schwierigkeiten nicht verdient.«
»Es geht ihr gut.« Ich hatte sie seit Wochen nicht mehr gesehen, wusste also nicht, wie es ihr ging, aber ich wollte, dass Bertha sich besser fühlte. Ich wollte nicht, dass sie sich schuldig fühlte, denn schlieÃlich hatte sie keine andere Wahl gehabt. Selbst Jinn hatte das gesagt. Sie sagte, sie hätte sich selbst rausgeworfen, wenn sie an Berthas Stelle gewesen wäre. »Sie berappelt sich wieder.«
»Oh, freut mich, das zu hören. Hat es mit Tom zu tun?«
Meine Finger erstarrten. »Was?«
»Tom Jerrold. Ich hab sie mit ihm gesehen. Er war ein guter Junge. Ich hatte gehofft, sie hätte Nathan wegen ihm verlassen. Er wäre besser für sie.«
»Du hast sie gesehen? Zusammen? Oft?«
»Na ja, ein paarmal. In seinem Wagen und so. Einmal beim Jachthafen.«
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich hatte Angst, und ich wusste nicht, warum. »Ja, vielleicht â vielleicht liegt es dann an Tom. Sie berappelt sich wieder.« Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich ein Loyalitätsgefühl auf. »Sie ist dabei, die Probleme zu lösen. Ihre und Nathans.«
Warum lieà ich es nicht einfach dabei bewenden?
»Sie hat mit ihrem Arzt gesprochen. Sie versucht, Nathan dazu zu bringen, einen Entzug zu machen. Da gibt es diese â also, da gibt es eine Klinik in Glassford. Sie haben dort einen Termin.«
Und das ist ein weiterer Grund dafür, dass ich nicht allzu viel rede. Denn wenn ich es tue, rede ich zu viel des Guten. Und heraus kommen nichts als Lügen.
Einundzwanzig
Ich wusste nicht, wo sie sich in den letzten Wochen herumgetrieben hatte, aber sie konnte nicht weit weg gewesen sein. Glassford gehört zu diesen Städten, die nicht riesig sind, aber groà genug, um sich darin zu verirren. Und klein genug, um wieder aufzutauchen. Zwei Tage später traf ich Jinn auf dem Tesco-Parkplatz.
Ich freute mich riesig, sie zu sehen, auch wenn sie furchtbar aussah. Und ich war froh, dass sie jetzt in einem gröÃeren Laden klaute, und total erleichtert, dass sie sich vom Mini-Markt fernhielt. Ich war auch heilfroh darüber, dass sie sich genauso schämte wie ich. Jinn hing nicht mehr so viel in Breakness herum, sondern hielt sich überwiegend in Glassford auf. Das beunruhigte mich nicht so sehr und bewahrte mich vor unangenehmen Situationen wie jener am Fluss. Das Leben ohne Jinn wurde ein normales Leben, ein leichteres. Um mich zu beruhigen, ging ich manchmal zum Dunedin-Haus, doch auch wenn es dort dunkel und totenstill war, wusste ich, dass es ihr gut ging; Jinn ging es immer gut. Irgendwie ging es ihr gut.
Bessere Ausbeute in Glassford , sagte ich mir: wechselnde Freier, etwas mehr Anonymität . Ich vermute, sie arbeitete auch in Breakness. Doch wenn sie einen Freier beim Pub am Jachthafen aufgabelte, würde sie in sein Auto steigen (denn ich wusste, dass sie in diesem Punkt gelogen hatte), und sie würden aufs Land fahren, und dann würde er sie in Glassford absetzen.
Selbst diese Vorstellung brachte mich nicht mehr allzu sehr aus der Fassung. Ich hatte mich dermaÃen an die Vorstellung von Jinns »Job« gewöhnt â Jinxâ Job â, dass ich immun gegen die Angst war. Ich wusste ja, dass es nicht für immer sein würde. Was ich Bertha berichtet hatte, war nicht unbedingt eine Lüge. Es war eine Art Prophezeiung, eine Vorhersage, Wunschdenken.
Ich lud sie zu einem Kaffee ein. Der Anonymität wegen wären wir besser zu Starbucks in Glassford oder ins Tesco-Café gegangen, doch wir fuhren mit dem Bus nach Hause â meinem Zuhause â und suchten das Mermaid Café in Breakness auf. Es war einst Laras Lieblingscafé gewesen, und jetzt das von Jinn.
Wir schwiegen, bis die mürrische Kellnerin uns den Kaffee gebracht hatte. Ich hatte auch Toast bestellt. Sie servierte uns warmes versengtes Brot, garniert mit einer winzigen Plastikportion Flora. Ich hatte es für Jinn bestellt, doch sie machte keine Anstalten, es zu essen. Sie befühlte es mit dem Daumen. Es war schwammig. Sie rümpfte die
Weitere Kostenlose Bücher