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Das fuenfte Maedchen

Das fuenfte Maedchen

Titel: Das fuenfte Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Philip
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Nase und wischte sich den Finger am Papiertischtuch ab.
    Â»Willst du?«, fragte ich.
    Â»Bin nicht hungrig.« Sie lächelte, ein eher verzweifeltes Lächeln.
    Das Mermaid Café war genauso bizarr, wie es klang, aber nicht so hübsch. Die Spanplatten-Meerjungfrau vor dem Café war so grotesk, dass sie einige potenzielle Gäste abschreckte, noch bevor sie den Toast gekostet hatten. Sie sah eher wie eine Seehexe aus: wie eine Menschenfresserin mit leuchtenden Augen und viel zu roten Lippen. Sie besaß keine Augenbrauen und ihre Stirn war unförmig. Der inkompetente Künstler hatte dies mit knallblonden Locken zu übertünchen versucht.
    Doch das Lokal selbst wurde von den Einheimischen gern wegen seiner moderaten Preise besucht und von Touristen wegen seines besonderen Charakters. Es war vollgestopft mit allen möglichen Kinkerlitzchen und Fotos, viel zu vielen Staubfängern. Bilderrahmen, Holzschnitzereien und Muscheln waren auf kleinen Regalen aufgereiht. Die Wände und die Decke waren mit alten Netzen und Tauen ausstaffiert und darin eingelassen waren dick mit Staub bedeckt Glasbojen, Treibholz und alte Flaschen. Einige hatten Schiffe im Inneren. Jeder Zentimeter der Wand war mit malerischen einfarbigen Postkarten und dilettantischen Gemälden bedeckt. Es roch hier seltsam. Es roch nach all den Jahren, die in diesem Krimskrams, den Fotos und den Postkarten eingefangen waren. Ich glaube, es war der Geruch der sepiafarbenen Personen, die griesgrämig dreinblickten. Es war der Geruch ihres armseligen Sepia-Daseins.
    Obwohl es draußen sonnig war, herrschte im Inneren Dämmerlicht, was eine klare Sicht erschwerte, doch ich sah genug. Jinn sah furchtbar aus. Außerdem schien sie von einer Staubschicht bedeckt zu sein, so als habe man sie seit Langem nicht mehr abgestaubt. Sie war so zart und zerbrechlich. Mich fröstelte.
    Â»Ruby, ich bin total abgebrannt.« Jinn lächelte in der staubigen Luft. Sie lächelte eine Touristin aus den Dreißigerjahren an, die stocksteif im altmodischen Badeanzug am reglosen Meer posierte, als habe sie mehr mit den Toten gemeinsam als mit mir.
    Ein Sonnenstrahl stahl sich herein, doch er brachte ihr Haar nicht zum Leuchten; er ließ lediglich die wirbelnden Staubpartikel aufleuchten und warf einen beigen Schatten über ihr Gesicht.
    Â»Bist du wirklich abgebrannt?« Ich schluckte und zögerte. »Ich dachte, du seist okay.«
    Â»Na ja …«, erwiderte sie. »Weißt du«, fuhr sie fort.
    Â»Im Augenblick ist alles etwas schwierig«, erklärte sie. »Wir warten auf Geld, aber es verzögert sich, verstehst du? Ich brauche etwas Geld, damit ich über die Runden komme.«
    Â»Damit du über die Runden kommst?«, wiederholte ich.
    Â»Bis wir alles geregelt haben. Bis wir diese Typen auszahlen können. Dann ist es wieder gut.«
    Â»Bis ihr alles geregelt habt?« Ich fuhr mir mit der Zunge über die Lippen. »Du und Nathan?«
    Ich konnte es damit nicht gut sein lassen. Hätte ich doch nur, aber ich öffnete bereits den Mund, um weiterzureden.
    Verstehst du jetzt, was passiert? Verstehst du es jetzt? Ich öffnete den Mund und sprach das eine Wort aus, das ich nie hätte sagen sollen, das Wort, das ich liebend gern zurücknehmen würde. Ich öffnete die Lippen und setzte meine Zunge in Bewegung.
    Â»Jinx«, sagte ich.
    Ihr Gesichtsausdruck blieb unverändert, oder fast; ihr entschlossenes Lächeln hatte sich ein wenig verändert. »Ruby, du solltest mich nicht so nennen. Tu’s nicht. Niemand nennt mich so. Niemand außer IHNEN , okay?«
    Â»Okay«, bekräftigte ich.
    Â»Das ist nicht mein Name. Tom nennt mich nicht so und du solltest es auch nicht tun …«
    Â»Du bist immer noch …?«
    Â»Ich habe ihn ein paarmal gesehen. Ich mag ihn. Nicht wie Nathan«, fügte sie herausfordernd hinzu, »aber ich mag ihn, also will ich …«
    Kein Geld von ihm . Es hing wie ein Staubnetz in der Luft.
    Jinn strich mit dem Finger über den angestoßenen Rand ihrer Tasse, bei der sich innen braune Teespuren abgesetzt hatten, und zwar ringförmig wie bei einem Baum. Sie schenkte sich Tee nach, um die Spuren zu bedecken, und dann bediente sie mich.
    Soll ich die Mutter spielen ?
    Oh ja, bitte, Jinn, ja.
    Ich beobachtete, wie sie Tee eingoss. Die Kanne tropfte und hinterließ einen breiten braunen Fleck auf dem Tischtuch. Alles hier war

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