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Das fuenfte Maedchen

Das fuenfte Maedchen

Titel: Das fuenfte Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Philip
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sepiafarben.
    Â»Jinx heißt sie , nicht ich.«
    Ich tauchte meinen Teelöffel in meine Teetasse, aber da ich weder Milch noch Zucker nahm, gab es nichts zu rühren. Am liebsten hätte ich gesagt: Jinn, lös dich von ihr oder Werd erwachsen und Fang ein neues Leben ohne Jinx an . Kehr in dein altes Leben zurück.
    Aber ich hatte bereits genug gesagt und Schuldgefühle lähmten meine Zunge. Ich hätte all diese Dinge sagen sollen, doch ich tat es nicht. Vielleicht wäre dann alles anders gelaufen. Aber ich tat es nicht, und deswegen ist es so wie mit Alex: Ich werde es nie wissen. Ich werde nie wissen, was geschehen wäre .
    Ich habe nichts zu Alex gesagt. Ich habe ihm nicht zugerufen: Hör auf damit oder Ich hab es nicht so gemeint oder Willst du etwa zum Film ? Ich rief auch nicht auf nette, freundliche Art: Werd erwachsen, Alex! Ich habe nur gesagt, als Letztes gesagt: Verpiss dich.
    Ich hatte meine Lektion nicht gelernt, denn ich sagte auch zu Jinn nicht das Richtige. Alles, was ich zu ihr sagte, alles, was sie hörte, war Jinx. Ich sagte nicht die Worte, die wichtig gewesen wären. Es ist genau wie bei Alex: Ich werde nie erfahren, was geschehen wäre.
    Ich nahm meinen Geldbeutel heraus und gab ihr Geld. Sie zerknüllte es in der Hand; ihre Augen leuchteten vor Dankbarkeit und Zuneigung. »Ich liebe dich«, sagte sie. »Wenn wir die Typen ausbezahlt haben, höre ich auf. Ich liebe dich.«
    Ich versuchte, es zu sagen, doch die Worte blieben mir im Hals stecken. Stattdessen sagte ich: »Jinn, ruf mich an. Wenn du mehr brauchst, wenn du mich brauchst.«
    Als ich aufstand und auf die Tür zusteuerte, wandte ich mich unwillkürlich noch einmal nach ihr um. Der Sonnenstrahl war durch den staubigen Raum gewandert, und ihr Kopf war etwas abgewandt, als sie das Geld in ihrer Tasche verstaute. Die Staubpartikel schienen in ihrem Haar einen Tanz zu vollführen und verwandelten es wie früher in Silber, wie ein Molotow-Mädchen, ganz Lebenslust, Sonne und Strand. Sie spürte meinen Blick, wandte den Kopf und lächelte; die Staubpartikel in ihrem Haar wirkten wie Sternenstaub. Sie war in diesem Moment sehr schön.
    Ich bemühte mich nach Kräften, diese Sternenstaub-Elfenkönigin in Erinnerung zu behalten, die lächelte, als ob sie sich gerade daran erinnert hätte, dass sie mich liebte. Manchmal lasse ich die Erinnerung aufleben und erneut die silbernen Partikel in meinem Kopf tanzen, denn ich habe Jinn nicht mehr lebend gesehen.

Winter

Zweiundzwanzig
    Ich bin jetzt sehr eigen, was meinen Namen angeht. Ich mag es nicht mehr, wenn man mich »Rubes« nennt. Ich habe meinen Namen schon so lange und bin irgendwie stolz darauf, umso mehr, weil Jinn ihren verloren hat. Als sie starb, war sie durch zwei Namen von sich selbst entfernt.
    Lange Zeit hatte ich keine Ahnung, dass sie tot war. Niemand wusste es. Sie war nicht hier, aber das war sie ja schon eine Weile nicht mehr. Die Dicke Bertha meinte, sie sei vielleicht nach Glasgow, Edinburgh oder sogar London gegangen. Vielleicht wollte Jinn irgendwo anonym sein, mutmaßte sie. Helle Lichter, eine große Stadt. Ein Ort, wo niemand einen Namen kennt und niemand weiß oder es keinen interessiert, ob es der Name ist, den man bei der Geburt bekommen hat.
    Eines Morgens wachte ich um drei Uhr auf, in meinem ruhigen Haus, das jetzt ausschließlich mir zu gehören schien, und hatte ein komisches Gefühl in der Magengegend. Die Stille lastete so sehr auf meiner Brust, dass ich kaum atmen konnte, und ich befürchtete, dass es jemand hören würde, wenn ich ausatmete. Als ich schließlich den Atem nicht länger anhalten konnte, hörte es sich an wie ein Schrei. Ich hatte mich gerade an etwas erinnert.
    Ruf mich an , hatte ich gesagt . Ruf mich an, wenn du mich brauchst .
    Wenn sie versuchte, mich anzurufen, würde sie mich nicht erreichen. Denn das Handy, dessen Nummer sie wählte, würde irgendwo unter Wasser klingeln oder in Norwegen oder wo immer es gelandet war. Irgendeine hässliche Meerjungfrau mit roten Lippen und üppigem blonden Haar benutzte jetzt mein Mobiltelefon. Ich griff nach meinem neuen auf dem Nachttisch und schrieb eine SMS an Jinn, wobei es mir egal war, wenn ich sie aufweckte. Gott, ich hatte das für so lange Zeit vergessen, wie sollte ich mich darauf verlassen, dass ich mich am Morgen noch daran erinnerte?
    Ich überlegte, ob ich es absichtlich getan

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