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Das fuenfte Maedchen

Das fuenfte Maedchen

Titel: Das fuenfte Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Philip
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starrte hinab auf den braunen, rauschenden Fluss. Er befand sich vielleicht vier Meter unterhalb von uns, aber es war Flut und der Fluss war voll und das Wasser reichte direkt bis hin zur Mauer und hinterließ schäumende Strudel beigefarbenen Schaums. Die Mauer war bis zur Wasserlinie hin schwarz, und dunkelgrünes Unkraut wuchs aus ihr heraus, horizontal zum Meer hin. Es war schwer, sich vorzustellen, dass wir im Sommer, wenn der Fluss silbern und sanft war, zu den Dünen hinüberwateten.
    Foley stieß sich von der Mauer ab, sprang hinunter und ging weg, aber ich drehte mich nicht um, um zu sehen, wohin er ging. Ich wusste es sowieso, weil ich hörte, wie er etwas zu Mallory hochrief.
    Â»Lässt du ihn wohl los, du kleines BIEST ? Lass ihn RUNTER .«
    Ich war zu sehr an Mallorys böse Spielchen gewöhnt, um mich umzudrehen und nachzusehen, welches Kind sie quälte. Stattdessen kniff ich die Augen zusammen und schaute durch meine Wimpern hindurch aufs Wasser. Es war nicht so weit unterhalb von mir, aber ich konnte so tun, als sei es das. Ich konnte so tun, als sei es Hunderte von Metern entfernt. Aber wenn ich auf einer Mauer sitzen würde, die fünfzigmal höher wäre, würde es sich anders anfühlen. Es wäre genau genommen dasselbe, aber ich würde wahrscheinlich runterfallen, weil ich wüsste, dass ich fallen könnte.
    Ich bin mir sicher, dass es auch andersherum funktioniert. Du siehst Bilder von Bergsteigern, die lässig am Rand von irrsinnigen Karen stehen. Bergsteiger müssen ein Gehirn haben, das weiß, dass es keinen Unterschied gibt zwischen zwei Metern und 450 Metern, dass deine Füße denselben Raum einnehmen, dass die Luft dort oben nicht schwerer ist, dass der Berg sich nicht neigen und dich hinunterstoßen kann.
    Andererseits fallen einige von ihnen runter.
    Aber ich war sowieso kein so rationaler Mensch. Ich konnte auf dieser Mauer sitzen, nah beim Fluss – das war kein Problem. Ich konnte wahrscheinlich nicht auf dem Rand der wackeligen Brücke dort drüben sitzen. Sie war nur wenige Meter höher als diese Mauer, aber das war zu hoch.
    Ich fragte mich, ob Alex Jerrold einen rationalen Verstand hatte. Ich fragte mich, ob er auf dem Dach des Gemeindezentrums gestanden und gewusst hatte, dass er dort oben so sicher war wie auf einer niedrigen Gartenmauer. Seine Füße nahmen genau den gleichen Raum ein. Es war nicht anders, als wenn der Boden nur zwei Meter entfernt gewesen wäre. Ich fragte mich, ob ihn irgendetwas verwirrt hatte, er vielleicht vergaß, dass er so hoch oben war, und dachte, er könne einfach heruntersteigen und losziehen, um sich Fisch zum Abendessen zu kaufen.
    Schon wieder Ausreden.
    Ich fuhr hoch, als mein Handy in meiner Hosentasche vibrierte und dann klingelte. Meine Finger zitterten, als ich es herauszog und aufklappte. Es war eine SMS von Jinn.
    Ignorierst du mich? :)
    Ich starrte darauf, ein schreckliches Gefühl im Magen. Zum einen wegen der Nachricht selbst, die implizierte, ich würde mich ihrer schämen, zum anderen, weil die Jinn, die ich kannte, niemals auf die Idee gekommen wäre, ihrer Nachricht ein zwinkerndes, lächelndes Gesicht hinzuzufügen. Früher hätte sie mich direkt und mürrisch gefragt, weil sie keine Angst vor Zurückweisung hatte. Sie schickte mir zwinkernde, lächelnde Gesichter, weil sie sich meiner nicht mehr hundert Prozent sicher war.
    Â»Hallo«, sagte Tom Jerrold.
    Das war der Moment, in dem mir mein Handy aus den Händen glitt und einen Satz machte. Es hat ein Eigenleben, sagte ich immer, und nun beging es Selbstmord. Ich beobachtete entsetzt, wie es in hohem Bogen durch die Luft segelte, und schnappte vergeblich danach. Es traf aufs Wasser auf, fast ohne einen Spritzer, und wurde verschluckt. Ich fluchte.
    Â»Oh«, sagte Tom. »Tut mir leid. Hab ich dich erschreckt?«
    Ich fluchte erneut, kraxelte von der Mauer runter, damit ich mich über sie beugen und nach unten schauen konnte, aber das Handy war verschwunden. Wenn es je wieder auftauchte, würde es in Norwegen gelandet sein.
    Â»Ich kaufe dir ein neues«, sagte er.
    Ich schüttelte den Kopf. Ich wollte nicht, dass er mir ein neues kaufte. Ich wollte nicht noch tiefer in Tom Jerrolds Schuld stehen. Ich würde es mir selbst kaufen, konnte es mir leisten. Aber so langsam dämmerte mir, was ich verloren hatte: Nummern, Klingeltöne, Fotos. Mist!
    Â»Was willst du?«,

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