Das fuenfte Maedchen
hatte, vergessen hatte, ihr meine neue Nummer zu geben.
Ich weckte sie nicht auf. Das weià ich jetzt, denn zu jenem Zeitpunkt war es bereits zu spät. Da ist noch etwas, was ich nie erfahren werde, nämlich, ob sie versucht hatte, mich anzurufen. Ich werde nie wissen, ob sie mich gebraucht hat. Vielleicht hat sie versucht, mich anzurufen, um mich um mehr Geld zu bitten. Auf jeden Fall weià ich, dass sie mich anrief, als sie rannte, kämpfte oder was immer sie in den letzten Augenblicken ihres Lebens tat. Vielleicht weinte sie, weil ich nicht antwortete. Aber wie so vieles andere werde ich es nie wissen.
Als ich wieder ins Bett schlüpfte, träumte ich, dass ich wieder unter der Bettdecke steckte. Ich sah Jinns Gesicht, verklärt im Fackellicht wie ein hohläugiger Engel. Sie lächelte mich an, stach sich in den Finger, stach in meinen Finger. Das mit dem Fingerstechen war natürlich übertrieben, wie bei Dornröschen. Blut tropfte auf die Laken, Jinn lächelte, unsere Daumenabdrücke verschmierten die Laken, als wir versuchten, das Blut wegzuwischen, womit wir es nur noch schlimmer machten. Jinn griff nach meiner Hand und versuchte, meinen blutigen Daumen zu säubern. Aber nichts war, wie es hätte sein sollen. Meine Hand und mein Arm verfingen sich in der Bettdecke und ich konnte mich nicht bewegen. Jinns Hand glitt aus meiner und ich konnte sie nicht finden. Sie hüpfte von mir weg wie ein grün-weià gestreifter Ball, die Laken und die Bettdecke legten sich wie Wellen über mich. Ich kämpfte dagegen an, erwachte, befreite mich aus dem verknäuelten Bettzeug und holte tief Luft. Dabei unterdrückte ich einen schrillen Schrei.
Ich frage mich heute, ob es zu dem Zeitpunkt geschehen war.
In jenem Winter schneite es wie seit Jahren nicht mehr. Jede Nacht fiel noch mehr Schnee und am nächsten Morgen war die Schneedecke noch dichter. Jeder wunderte sich darüber, auÃer Mr Bertha, der herumnörgelte, obwohl er nie vor die Tür ging. Es war die Art von Schneefall, der nie zu enden schien, bei dem man sich nicht vorstellen konnte, dass sich alles wieder grün färben würde. Wie bei Narnia. Die Welt wurde jede Nacht, bedingt durch die Kälte, ruhig und schön und rein.
Als die Kinder schulfrei bekamen, versuchten sie, das Beste daraus zu machen. Der Freizeitpark und der Golfplatz und die Hügellandschaft waren übersät mit Schneeengeln und Schneemännern und Rodelbahnen. Die Hänge waren in glatte, superschnelle Abfahrten verwandelt worden, wie die schönste Skipiste in Ãsterreich. Mallorys Lieblingsplatz war der Tesco-Parkplatz in Glassford, wo sie eine Runde nach der anderen drehte, wie eine selbstmörderische Wahnsinnige, die Autofahrer erschreckte und Kunststücke auf Eisbrocken vollführte, die schwarz von Schmutz und Auspuffgasen waren; doch Foley spuckte den Geschmack der Luft aus und sprach ein Machtwort. Während das wirkliche Leben und der wirkliche Winter auf Eis lagen, wollten wir den Schnee auf den Feldern am Stadtrand und im Hinterland genieÃen.
Ich war nicht zu alt dafür, entdeckte ich, genauso wenig Foley. Mallory verkrachte sich mit uns beiden, weil wir ihren Plastikschlitten an uns rissen, der, wenn man die richtige Steigung hatte, so schnell wie ein Rodelschlitten war. Sie beschimpfte uns und bewarf uns mit Schneebällen, als wir uns zum x-ten Mal auf den Bauch legten und den Hang hinunterbrausten. Als sie uns schlieÃlich leidtat, gaben wir ihr den Schlitten zurück. Sie war jetzt extrem schlecht gelaunt, was ihre kleinen Verehrer zu spüren bekamen.
Da Foley weiter zur Schule ging und ich meinen Job im Frisiersalon hatte, blieben uns nicht viele gemeinsame Tagesstunden. Doch mit dem Schnee ist es so: Du musst die Stunden nutzen. Um Mallorys Selbstentzündung zu vermeiden, oder vielleicht weil wir die Schlittenfahrten schneller satt hatten als sie, ergriffen wir die Chance und unternahmen Schneespaziergänge.
Also überlieÃen wir Mallory den Schlittenfahrern (sie war in der Menge sicher; alle anderen benötigten Schutz vor ihr) und wanderten durch die Wälder, wo man nicht rodeln konnte und wo es, abgesehen von den Spaziergängern mit Hunden, einsam war. Wir waren ihnen gegenüber viel wohlwollender als sonst, da es im Schnee leichter fällt, die HundescheiÃe zu entdecken. Das Gebiet hinter den Wäldern â flach und deshalb wenig geeignet zum Schlittenfahren
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