Das fuenfte Maedchen
â war unberührt. Die Schafe, die einst hier geweidet hatten, waren geschlachtet worden. Foley wollte zum Feld laufen und den Schnee aufwirbeln, doch ich lieà es nicht zu. Der Schnee war weich und blütenweià wie ein Leinenlaken, nur dass er mit einer Eisschicht überzogen war, die wie Kristalle in der Sonne glitzerte. Die Schatten der Bäume, die sich nur allzu schnell darüber legten, waren blau, fast so blau wie der Himmel. Wenn man die Faust in den Schneehaufen am Zaun stieÃ, glänzte sie wie ein Aquamarin.
Wir spazierten bis zur Schnapsbrennerei. Dann bekam Foley Schuldgefühle, rollte die Augen, und wir machten kehrt, um festzustellen, dass man Mallory zwar nicht entführt hatte, doch eine Festnahme durchaus möglich war. Doch ich lieà es nie zu, dass wir schon vor der Brennerei umkehrten. Sie galt als Touristenattraktion, aber es wurde dort auch gearbeitet, was bedeutete, dass hier alles sehr gepflegt war. Besonders hübsch war es hier im Sommer, mit den Holzbänken und Fahnen und liebevoll gemalten Schildern. Im Winter war es dort märchenhaft: junge Bäume und alte Steine und Schnee. Es gab sogar ein Mühlrad. Vielleicht wurde immer noch Gerste gemahlen, ich weià es nicht.
Das Wasser, das das Rad drehte, kam aus einem kleinen Teich, wo im Sommer kleine Jungen Spielzeugsegelboote ins Wasser lieÃen und die älteren Forellen fingen. Es war ebenfalls ein hübscher Ort, mit Holzzäunen eingefasst und idyllisch; an manchen Tagen böig und windgepeitscht, an anderen völlig ruhig. Das Schilf am Ufer spiegelte sich so vollkommen, dass man das Bild auf den Kopf hätte stellen können. An der Stelle, an der ein Bach durch ein Metallgitter floss und dann unter der StraÃe verschwand, gab es einen Ãberlauf, aber es war ein friedliches Rinnsal in der immer noch eiskalten Luft, auch wenn der See übersprudelte. Mit dem Schnee war der See gefroren, undurchsichtig und dunstig und flach wie eine Eisbahn. Es wäre töricht gewesen, Schlittschuh zu laufen, aber es war verlockend. Da sich die Wintertage ohne Veränderung dahinzogen, legte sich der Schnee wie eine weiche Hülle auf das Eis, und niemand betrat es.
Im Schnee wirkte sogar das Dunedin-Haus hübsch. Jeden Morgen machte ich auf meinem Weg zum Bus, der mich nach Glassford brachte, einen Umweg, um an dem Haus vorbeizukommen. Ich blieb stehen und versuchte, irgendwelche Lebenszeichen zu erkennen. Ãber dem Fenster hing eine einsame Weihnachtslichterkette, aber seit Wochen war sie nicht mehr angemacht worden. Ich war mir nicht sicher, ob jemand im Haus war oder nicht, und ich wagte es nicht, durch den Briefkastenschlitz zu schauen, um festzustellen, ob meine Weihnachtskarte noch ungeöffnet auf der Matte lag. Das Schieferdach lag unter einer Schneedecke begraben. Das konnte auf eine ausgezeichnete Dachisolierung zurückzuführen sein oder darauf, dass niemand im Haus heizte. Ich vermutete Letzteres.
Vielleicht wohnten Nathans Freunde noch hier, aber ich glaubte nicht, dass Nathan noch dort war. Ich glaube auch nicht, dass Jinn lange hier gewohnt hatte. Vielleicht waren die beiden ausgezogen. Es hätte mich bestürzen sollen, dass ich es nicht wusste, aber ich war wie benommen. Ich fühlte gar nichts mehr, hatte keine Meinung mehr. Diese Geschichte mit Jinx war ein Zwischenspiel, eine Störung im Raum-Zeit-Kontinuum. Das Portal war versperrt. Eines Tages würde der Bann von Dunedin gebrochen sein, das Portal würde sich öffnen und Jinn würde ihren Namen finden. Dann wäre sie zurück, würde ins Licht treten und lachen, wenn sie den Nachspann sah. Jinx war ein Intermezzo.
Ich denke immer noch, dass es so geschehen wäre. Ich glaube fest, dass sie ihren Namen gefunden und durch die Eingangstür heimgefunden hätte. Doch leider hatte sie nicht mehr die Möglichkeit dazu.
Ich hätte es wissen müssen, wenn ich mir das Dunedin-Haus anschaute, das im Schnee erstarrt war. Das Haus war tot, seine Bewohner verloren und das Eingangstor für immer verschlossen. Doch damals wusste ich das noch nicht.
Eine Woche später, als weder Foley noch ich zu tun hatten, wanderten wir erneut durch diese Wälder. Es war so friedlich dort. Ein Weg war in den Schnee getreten worden, aber das Gehen fiel immer noch schwer. Besser war es unter den Bäumen, da hier der Schneefall aufgefangen wurde. Unter den Kiefern fand man nur noch eine leichte Schneeschicht
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