Das Fulcanelli-Komplott (German Edition)
gearbeitet. Er genoss die Freiheit, die damit einherging. Er konnte schlafen, wann immer er schlafen wollte, so weit und so schnell und so leicht reisen wie möglich und als Einzelperson stets ungesehen agieren. Am wichtigsten von allem war jedoch: Allein zu arbeiten bedeutete, für nichts und niemanden verantwortlich zu sein außer für sich selbst.
Und jetzt hatte er diese Frau am Hals und brach all seine eigenen Regeln.
Er wählte einen verschlungenen Rückweg zu seinem Unterschlupf. Robertas verwirrtes Stirnrunzeln vertiefte sich noch, als er sie durch die gepflasterte Seitengasse und das unterirdische Parkhaus sowie die Hintertreppe hinauf zu der gepanzerten Stahltür seiner versteckten Wohnung führte.
«Hier wohnen Sie?»
«Home , Sweet Home.» Er verriegelte die Tür hinter ihnen und tippte den Code ein, der das Alarmsystem deaktivierte. Dann erst schaltete er die Beleuchtung ein.
Sie blickte sich mit großen Augen um. «Was ist denn das? Neospartanisch oder was?»
«Möchten Sie einen Kaffee? Etwas zu essen?»
«Kaffee klingt gut.»
Ben ging in die kleine Küche und zündete das Gas unter der Espressokanne an. Nach ein paar Minuten sprudelte das Wasser hoch, und es roch nach Espresso. Er servierte ihr den Kaffee mit heißer Milch aus einer Stielkasserolle. Anschließend öffnete er eine Dose Bohneneintopf, wärmte sie auf und verteilte die Mahlzeit auf zwei Teller. Außerdem hatte er noch ein halbes Dutzend Flaschen Rotwein, von denen er eine auswählte und entkorkte.
«Sie sollten etwas essen», sagte er, als Roberta ihren Teller nicht anrührte.
«Ich bin nicht hungrig.»
«Okay.» Er leerte seinen eigenen Teller, dann zog er den von Roberta zu sich heran und aß auch ihre Portion. Die letzten Essensreste in seinem Mund spülte er mit Rotwein herunter. Er konnte sehen, dass sie zitterte. Sie hatte den Kopf in die Hände gestützt. Er stand auf und legte ihr eine Decke um die Schultern.
Sie saß noch ein paar Minuten schweigend da, bevor sie den Kopf hob und Ben ansah. «Ich muss immer wieder an Michel denken», flüsterte sie.
«Er hat Sie verraten. Er war nicht Ihr Freund», erinnerte er sie.
«Ja, sicher, ich weiß. Trotzdem …» Sie schluchzte, wischte sich die Augen und lächelte schwach. «Ziemlich dumm von mir.»
«Nein, ganz und gar nicht dumm. Sie haben Mitgefühl.»
«Sie sagen das, als wäre es eine Seltenheit.»
«Es ist eine.»
«Haben Sie Mitgefühl?»
«Nein.» Er schenkte sich den Rest des Weins ins Glas. «Ich habe keins.» Er sah auf seine Uhr. «Es ist spät. Auf mich wartet Arbeit morgen früh.» Er leerte sein Glas und sprang aus dem Sessel. Dann nahm er einen Stapel Decken und ein Sesselkissen und begann, auf dem Fußboden ein Lager herzurichten.
«Was machen Sie da?»
«Ein Bett für Sie.»
«Das nennen Sie Bett?»
«Sie könnten das Ritz haben, wenn Sie gewollt hätten. Ich hab es Ihnen angeboten, schon vergessen?» Er bemerkte ihren Blick. «Ich habe nur ein Schlafzimmer», fügte er hinzu.
«Und dann lassen Sie Ihre Gäste auf dem Fußboden schlafen?»
«Falls es Sie tröstet: Sie sind der allererste Gast, den ich mit zu mir genommen habe. Wenn ich jetzt Ihre Tasche haben könnte?»
«Was?»
«Geben Sie mir Ihre Tasche.» Er entriss ihr die Handtasche und fing an, darin herumzuwühlen.
«Was glauben Sie, was Sie da tun?», schrie sie und wollte die Tasche wieder an sich reißen.
Er schob sie weg. «Ich nehme das hier», sagte er und steckte ihr Mobiltelefon ein. «Den Rest können Sie behalten.»
«Warum nehmen Sie mir das Handy weg?»
«Was glauben Sie denn? Ich möchte nicht, dass Sie hinter meinem Rücken von hier Telefongespräche führen.»
«Meine Güte, Sie haben wirklich ein mächtiges Problem, was Vertrauen angeht.»
Roberta fand in der Nacht keinen richtigen Schlaf. Sie konnte nicht abschalten von den vorangegangenen Ereignissen. Was wie ein ganz normaler Tag angefangen hatte, war zu einem Albtraum geworden, der ihre Welt auf den Kopf stellte. Vielleicht war sie verrückt, weiter hier auszuharren, anstatt das Geld von Hope anzunehmen und gleich am nächsten Morgen ins erste Flugzeug in die Vereinigten Staaten zu steigen.
Was war dieser Hope überhaupt für ein Typ? Hier lag sie nun, in einer versteckten Wohnung bei einem Mann, den sie kaum kannte und dem sie an diesem Tag zum ersten Mal begegnet war. Wer war er? Er war attraktiv und besaß ein gewinnendes Lächeln. Doch da war auch eine eisige Kälte in ihm. Er konnte sie mit seinen
Weitere Kostenlose Bücher