Das Fulcanelli-Komplott (German Edition)
ungefähr zwanzig Teelöffel der süßlichen Flüssigkeit zu mir genommen. Ich beobachte keinerlei negative Wirkungen. Nur die Zeit wird mir zeigen, wie groß die lebenserhaltende Wirkung ist …
Die Zeit wird es zeigen, okay , dachte Ben. Frustriert blätterte er ein paar Seiten weiter und fand einen Eintrag vom Mai 1926, der ausgezeichnet erhalten und einfach zu lesen war.
Als ich an diesem Morgen von meinem täglichen Spaziergang in die Rue Lepic zurückkehrte, wurde ich von einem furchtbaren Gestank begrüßt, der aus meinem Labor kam. Noch während ich die Treppe in den Keller hinunterhastete, wusste ich, was geschehen war. Und genau wie erwartet, stand mein junger Lehrling Nicholas Daquin inmitten von Rauchwolken und Trümmern eines törichten Experiments.
Als Erstes löschte ich die Flammen. Ich hustete noch immer vom Rauch, als ich mich schließlich ihm zuwandte. «Ich habe dich gewarnt vor diesen Experimenten, Nicholas», schalt ich ihn.
«Es tut mir leid», antwortete Nicholas mit einem trotzigen Blick in den Augen. «Aber, Meister, beinahe hätte es geklappt!»
«Experimente können gefährlich sein, Nicholas. Du hast die Kontrolle über die Elemente verloren. Es erfordert sehr viel Gefühl, die Elemente stets im rechten Gleichgewicht zu halten.»
Er sah mich an. «Aber Ihr habt mir selbst gesagt, Meister, dass ich ein gutes Gefühl dafür hätte.»
«Und so ist es auch», erwiderte ich. «Trotzdem. Intuition allein reicht nicht aus. Dein Talent ist kaum entwickelt, mein Freund. Du musst lernen, deine jugendliche Impulsivität im Zaum zu halten.»
«Es dauert alles so schrecklich lang, Meister! Ich will mehr wissen! Ich will alles wissen!»
Mein zwanzig Jahre alter Novize ist manchmal eigensinnig und arrogant, doch ich kann nicht abstreiten, dass er ein großes Talent besitzt. Nie zuvor bin ich einem Studenten begegnet, der so eifrig war. «Du kannst nicht erwarten, dass ich dreitausend Jahre der Philosophie und die Bemühungen meines ganzen Lebens in ein paar Lehrstunden verdichte», sagte ich geduldig zu ihm. «Die mächtigsten Geheimnisse der Natur sind Dinge, die du dir langsam erarbeiten musst, Schritt für Schritt. Das ist das Wesen der Alchemie.»
«Aber Meister, ich habe so viele Fragen!», protestierte Nicholas und fixierte mich mit seinen großen, dunklen Augen. «Ihr wisst so viel. Ich hasse das Gefühl, ein unwissender Tor zu sein.»
Ich nickte. «Du wirst lernen. Doch zuerst musst du lernen, deinen Eigensinn unter Kontrolle zu bringen, junger Nicholas. Es ist unklug zu rennen, wenn man noch nicht einmal gelernt hat zu gehen. Du solltest dich für den Augenblick wirklich auf theoretische Studien beschränken.»
Der Junge ließ sich schwer auf einen Stuhl fallen und sah mich aufgeregt an. «Ich bin es leid, Bücher zu lesen, Meister! Die Theorie unserer Wissenschaft zu lernen ist schön und gut, aber ich brauche etwas Praktisches. Etwas, das ich sehen und anfassen kann. Ich brauche den Glauben, dass das, was wir tun, einen Sinn und einen Zweck hat.»
Ich sagte ihm, dass ich Verständnis für seine Wünsche hätte. Ich sorgte mich auch, dass zu viel theoretisches Lernen diesen äußerst begabten Schüler am Ende vergraulen könnte. Ich bin mir nur allzu bewusst, wie trocken und fruchtlos ein Leben voller Studien sein kann ohne die Belohnung eines echten Durchbruchs, einer greifbaren Belohnung.
Ich dachte an meinen eigenen Schatz. Vielleicht würde es seine brennende Neugier befriedigen, wenn ich ein wenig von diesem unglaublichen Wissen an Nicholas weitergab.
«Also schön», sagte ich nach einer langen Pause. «Ich werde dir mehr zeigen. Etwas, das du nicht in deinen Büchern findest.»
Der junge Mann sprang auf, und seine Augen blitzten vor Aufregung. «Wann, Meister? Jetzt?»
«Nein, nicht jetzt», erwiderte ich. «Sei nicht so ungeduldig, mein junger Lehrling. Bald, sehr bald.» An dieser Stelle hob ich mahnend den Zeigefinger. «Doch vergiss eines nicht, Nicholas. Kein Student in deinem Alter wurde je so rasch so tief in die alchemistischen Wissenschaften eingeweiht. Es ist eine große Verantwortung, und du musst bereit sein, sie zu tragen. Es sind die größten Geheimnisse, die ich dir anvertraue, und sie dürfen niemals weitergegeben werden – an niemanden. Hörst du? An niemanden. Das musst du mir schwören, Nicholas.»
Er reckte mir auf die ihm eigene, stolze Weise das Kinn entgegen. «Ich will den Schwur jetzt gleich auf mich nehmen, Meister», erklärte er.
«Denk darüber nach,
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